Leo Gilbert: „Seine Exzellenz der Android“

1907 schrieb der Ingenieur und Wissenschaftsjournalist Leo Silberstein unter dem Pseudonym Leo Gilbert den Roman „Seine Exzellenz – der Automat“. Ein satirischer und phantastischer Roman, der wieder entdeckt und verlegt wurde. Es geht um künstliche Intelligenz und um den entmenschlichten Automatismus. Der Fortschritt, die Wirren der Zeit und die Kriege zeigen, dass sich die Technologien entwickeln, aber wir als Menschheit oft stehen geblieben sind. Hierbei rücken mechanisch handelnde Menschen und menschliche Maschinen in den Fokus dieses herrlichen Romans. Der Roman kann als einer der ersten Science-Fiction-Romane über künstliche Intelligenz gelesen werden. Der Autor war philosophisch und naturwissenschaftlich gebildet. Er referierte oft über sein Wissen, besonders über technologische und philosophische Themen. Er starb 1932 in Wien. In den 1930er Jahren war sein Werk das Opfer der Nazis. Das Buch wurde aus allen Bibliotheken entfernt. Zum Glück wurde das Buch nun erneut entdeckt und kann und sollte gelesen werden. Der Originaltitel wurde leicht verändert, um die aktuellen Diskussionen neben die historische Betrachtung zu stellen.

Der erste Satz läutet bereits die Stimmung ein. „Es war gegen das Ende des Jahrtausends der Technik …“ Somit zeigt der erste Satz den Beginn der phantastischen Erzählung und auch gleichzeitig die Kritik an der Glorifizierung der Technologie. Der norwegische Wissenschaftler Frithjof Andersen haust im vierten Stockwerk eines Gebäudes mit missgestimmten Mitbewohnern. In seiner Wohnung gehen ungeheuerliche Dinge vor. Aus späterer Sicht könnte dies an Victor Frankenstein erinnern. Der Physiker und Ingenieur kreiert einen Androiden, dem er durch mathematische, chemische und physikalische Prozesse Leben einhaucht. Dieser Automat reagiert auf Stichworte und kann bald schon längere Passagen vortragen und lernen. Er handelt selbständig und erhält individuelle Merkmale. Er imitiert den Menschen und durch den lebendigen Körperbau gelingt die Maskerade. Die Entwicklung ist nicht zu stoppen, ein Ausschalten ist nicht vorgesehen gewesen und die menschliche Maschine emanzipiert sich immer mehr. Sie wird Großindustrieller und später sogar zum Minister ernannt. Es kommt zum Kriegsgeschrei und spätestens als die Gefahren für die Menschen jetzt immer größer werden, sieht sich Andersen in der Verpflichtung einzugreifen.

Das Thema Mensch und Maschine war damals etwas Neues. Die Ironie zwischen vermenschlichten Androiden und roboterhaften Menschen ist dennoch von einer Aktualität, dass es eine Freude ist, diesen Schatz neu entdecken zu dürfen. Politisches, unterschiedliche Ideologien und die Frage nach der Menschlichkeit werden auf sehr humorvolle Weise beleuchtet. Wie im Text die Themen, die unsere gegenwärtigen Diskussionen beleben, bearbeitet werden, macht großen Spaß. Das Buch ist witzig und philosophisch. Mit einem Geleitwort von Rudolf Goldscheid und einem Nachwort zur Neuausgabe von Nathanael Riemer.

Diesem Leseschatz ist eine große Leserschaft zu wünschen! Ein scharfer und satirischer Blick auf unsere Welt aus der fast vergessenen Vergangenheit. Das Buch ist eine Sensation und eine herrliche sowie altmodische Reise in die Moderne.

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