
Ist Jann Wattjes überhaupt noch ein Geheimtipp, wie zuweilen behauptet wird? Er bespaßt seit Jahren die Poetry-Slam-Bühnen und konnte sich für Landes- und deutschsprachige Meisterschaften qualifizieren. Seine Texte sind klug, überraschend und witzig. Mona Harry behauptet, sie habe abgestimmt und Jann Wattjes ist der lustigste Mensch der Welt. Der Titel „Das Leben ist wie eine Schachtel Sardinen“ ist ein abgewandeltes Filmzitat und beim Lesen wird man selbst etwas verschroben wie Forrest Gump und versucht, die besten Pralinen zu finden. Doch sind hier fast alle schmackhaft. Meist aber nicht süß, sondern fischig.
Die Ideen der Texte überraschen. In dieser Ausgabe befinden sich Bühnentexte, Kurzgeschichten und Teamtexte mit August Klar. Als Slammer traut er sich was, denn ein Gedicht hat sich auch in die Anthologie geschummelt. Jann blickt über die Ränder seiner ganzen friesischen Tellersammlung. Dabei fällt es uns und besonders ihm schwer, die Grenze zwischen Erzähler und Jann zu finden. Wer ist fiktiv? Descartes, so schreibt er, hatte unrecht. Er denkt, also ist er selbst, der Jann, wahrscheinlich von Jann nur ausgedacht. Denn wenn er sich die Figuren in der Sardinen-Schachtel ausdenken kann, kann er sich doch auch einfach selbst ausgedacht haben. Ob die Texte sinnvoll und tiefgreifend sind, obliegt den Menschen vor den Zeilen. Jann versucht zumindest einen Sinn zu finden und stellt fest: „Gerade als ich den Sinn des Lebens verstanden hatte, wurde er geändert“. Das Tiefe wird durch Albernheiten, Beobachtungen und Anspielungen kaschiert. Jann spielt mit seinen Gedankenblitzen und ist sehr sprachgewandt. Egal ob er über kapitalistische Beerdigungsmodelle, Katzen, Bären, King-Drive, Aliens, Weihnachten im Liveticker, Achterbahnen oder den unterirdischen Zoo schreibt. Das Unterirdische ist dabei nicht geografisch, sondern wertend gemeint. Wir reisen mit ihm nach Rhoscolyn, hoffen Wale zu sehen und haben einen Ohrwurm von Marillion. Es wird auch mal politisch, denn wenn ein Marder, der alles annagt, plötzlich ein Politiker von rechts außen ist, wird es gruselig. Alle Texte werden durch Marginalien am Ende ergänzt. Diese sind nicht immer hilfreich oder erklärend, eher als der Versuch sich als Autor zu erklären, zu verstehen. Ebenfalls witzig.
Jann ist ein stiller Beobachter. Er macht sich aus Vielem seinen Spaß. Er verwandelt das Alltagsgrau in Humor und lässt uns an dieser, seiner Alchemie teilhaben. Seine Scherze sind schmunzelnde. Ein leicht verschrägter Humor, der sich oft, aber nicht immer sofort erschließt. Er ist Katzenmensch und sein Hauptanliegen ist, wenn man seinen sozialen Netzwerkoffenbarungen glaubt, daß es den Haustieren gefällt (Beweisfotos anbei). Tiere kommen in dieser Schachtel ja auch mannigfaltig vor. Man könnte mit dem Buch ferner auch Janns und Selinas Spiel spielen, das nächste Tier, das auftaucht, bist du … (Werden wir hier Zeuge eines Zeitparadoxons? Hat das Buch Descartes zu seinen Thesen angeregt?)
Jann zu lesen macht viel Freude. Seine Kurztexte – in gedruckter Form, in den sozialen Netzen und auf den Bühnen vorgetragen – machen einfach Spaß. Es ist ein Werk voller Widersprüche, Alltagskomik und seine Haltung zum Leben. Textanalyse zum Zugreifen. Einfach in die Schachtel fassen, man weiß nicht wirklich, was man bekommt. Sardinen sollte man wohl vermuten, aber lesen sie selbst. Also dann, dör de Dör dör!






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