Kettly Mars: „Kasalé“

Ein Roman, der uns verführt. Voller Sinnbilder und beschriebener Naturelemente tauchen wir ein in eine für uns exotische Welt. Eine fließende Welt, die das Althergebrachte und die aufkommende Moderne auf Haiti beschreibt. Die Menschen sind verwurzelt mit der Landschaft und den Traditionen. Zum einen möchten sie diese bewahren, doch gibt es auch Strömungen, diese langsam abzulegen. Der Roman ist voller magischem Realismus und stellt die Frauen in die Mitte der Ereignisse. Die Sprache, der Klang und die Naturbeschreibungen erzeugen einen spannenden Strudel, der spürbar sinnlich das Leben in Literatur verwandelt. Der Roman zeigt viele Welten. Er wirkt zum einen sehr realistisch, ist dann aber auch voller Magie. Das Spirituelle ist dabei niemals verstörend oder gar aufgesetzt, sondern passt sich dem Bild dieser Literatur an.

In dem kleinen haitianischen Dorf gibt es keine Vorstellung von Stadtplanung. Die Ansiedlung ist aus dem Zentrum heraus gewachsen. Um die ersten Häuschen wurden im Laufe der Jahre weitere Häuser gebaut, je nach Bedarf durch Eheschließungen und Geburten. Die nächsten Verwandten und weitere, die sich ansiedelten, erzeugten somit um den Kern Ringe, die an Kreise erinnern, die ein ins Wasser geworfener Stein erzeugt. Der Zugang erfolgt durch den Hof von Antoinette, Gran´n genannt.

Gran´n bewahrt die Mysterien, die althergebrachten Praktiken und Riten. Sie ist das gefühlte Zentrum der anderen Frauen. Männer tauchen auch auf, doch sind es die Frauen, die im Roman von Kettly Mars das Zentrum sind. Am Anfang wird das Dorfleben heimgesucht von einem Unwetter und am Höhepunkt des Regenschauers fällt Sophonie in andere Umstände. Ein flüssiger Traum bemächtigt sie und ihren Körper. Der Fluss tritt aus seinen Ufern, entwurzelt Natur und zerstört Gebautes. Im Hof von Gran´n wird der Zimtapfelbaum umspült und seiner Erdverbundenheit beraubt. Die Pflanze hängt nun im Gleichgewicht am Faden der Zeit. So deutet es zumindest Gran´n. Sie erkennt dies als ein Zeichen des nahenden Todes. Unter den Frauen in ihrem Umfeld muß eine Nachfolgerin gefunden werden. Diese ist Sophonie, die zögerlich ist und erst langsam erspürt, was es mit dem Kind auf sich hat, das sie erwartet. Ferner muß das Haus der Mysterien, der Aufenthaltsort der Götter, wiederaufgebaut werden. Die Natur zeigt den Menschen ihre Grenzen und auch innerhalb der Gemeinschaft kommt es zu Zerwürfnissen. Die Konflikte vermischen sich mit der Verwurzelung aus der alten Welt und der Moderne.

Kettly Mars hat sich bereits als Autorin und Lyrikerin einen Namen gemacht und zählt inzwischen zu den bekanntesten literarischen Stimmen Haitis. „Kasalé“ ist im Original 2003 erschienen und ist ihr Debütroman, der nun in der deutschen Übersetzung von Ingeborg Schmutte vorliegt.

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