Veit Sprenger: „Wie sie im Vergnügungspark ihre Toten bestatten“

Veit Sprenger ist Theatermacher und jetzt macht er einfach Theater in unseren Köpfen. Er gibt dazu Anregungen und schon ist es passiert, die Stücke entfalten sich und nichts und niemand kann uns daraus retten. Dabei ist das Buch selbst ein Rettungsversuch. Ein Versuch, den Lektüregewohnheiten der Gegenwartswelt zu entsprechen. Die Lesegewohnheit und die Aufnahmefähigkeit der meisten Wenigen oder doch der wenigen Meisten sind ausgestoßene Kurztexte. Der Verweilmoment eines Textes darf im Zeitalter von X (Twitter heißt jetzt X, sonst ändert sich nix), Facebook und Instagram nicht überstrapaziert werden. TikiToki zeigt auch den Weg, wie Gesagtes und Geschriebenes Beiwerk des bewegten Bildes ist. Text muss mit einem Wimpernaufschlag gänzlich erfassbar sein. Somit wird mit diesem Buch Thread durch Quickie geschlagen.

Die sozialen Netze würden aber reißen, denn es gibt auch im Buch, das den Untertitel „Getipptes“ trägt, Geschriebenes mit enormer Überlänge. Wir reden von Texten von eineinhalb Seiten! Aber die meisten Texte sind kurz. Ameisenlektüre. Menschen schrumpfen in einem dieser Fragmente auch durch die Distanz zu Insektengröße. Die Geschichten sind Passagen, Botschaften oder Momente, die alle absurd, böse, außergewöhnlich und abgründig witzig sind. Also kurz und(/)oder gut.

Es taucht ein Hund auf, der anfänglich sein Hobby zum Beruf gemacht hatte, dann als Rentner seinen Beruf als Hobby weiterführt. Die Beerdigung (der Titel-Titel) beschreibt die Möglichkeit des Beerdigungsvorgangs im Vergnügungspark. Wir lernen, wie man eine Absage mit einer Notlüge machen darf, wenn ein Termin genannt wird, den man nicht hat, wobei ein anderer Termin im Kalender eingetragen ist. Zwei Menschen, wohl Doppelgänger, treffen sich beim Müll, der eine bringt, der andere nimmt etwas. Der Vorgang beschämt beiderseits. Ferner erfahren wir Historisches, wie es zum Beispiel zur Bezeichnung des Schlaraffenlandes kam. Eine Frau, die im Wald wohnt und dennoch darum bittet, die Schuhe auszuziehen. Es gibt auch einen Witz mit Schuhen und Verwandten, der bis zu dieser Publikation das Haus nicht verlassen hatte. Natürlich soll auch der Kopf angestrengt werden, denn auch philosophisch geht es in den Texten zu. Spätestens wenn Diogenes mit seinem Fass von Trunkenbolden ins Meer geworfen wird und er der erste Urlauber wird. Es gibt Menschen, die in Hauswänden wohnen, Banden, die das Wahre, Schöne und Gute unerfreulich verwandeln.

Wäre das Handy nicht erfunden, so gäbe es diese Texte wohl nicht. So lautet es zumindest im Prolog des Poeten. Somit ist die ganze Kurzprosa den Daumen gewidmet. Die Texte liegen im Buch so rum und können uns ein Lachen anbieten. Der alltägliche Alltag bekommt durch diese Quickies für die Hosentasche eine womöglich Erklärung. Zumindest entsteht Theater im Kopf mit allen Komödien und Dramen, wie es sich der Dramaturg nur wünschen kann. Also Popcorn nehmen, süß oder salzig, und Spaß haben.

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