Elsa Morante: „La Storia“

„La Storia“ ist eine Wiederbelebung großer italienischer Literatur. Elsa Morante wollte als Poetin einen Aufruf gegen jegliche Form des Faschismus in der Welt schreiben. Eine Aufforderung, die Mechanismen zu verstehen und diesen und der daraus resultierenden Gewalt, wo immer diese auftreten möge, entgegenzutreten. Ein Roman, der das Private politisch werden lässt, denn es ist die Geschichte einer Frau, die mit ihren beiden Söhnen im Rom während der deutschen Besetzung versucht zu überleben.

Mit dieser neuen Übersetzung wirft der bereits 1957 erschienene Roman ein Licht auf die Geschichte, besonders auf die Jahre 1941 bis 1947 und zeigt damit eine Vergangenheit, die immer mehr einen Schrecken der Gegenwärtigkeit erzeugt. „La Storia“ war das meistgelesene Buch in der Nachkriegszeit in Italien. Das Buch feierte internationale Erfolge und wurde 1986 mit Claudia Cardinale verfilmt. 2023 folgte eine Serienadaption.

Der Roman ist ein Meisterwerk, das durch seine zugängliche Sprache einen ganzen Kosmos eröffnet. Das Wahrhafte zeigt sich in der persönlichen Welt der Lehrerin Ida. Die Kapitel werden eingeleitet mit den historischen Ereignissen, die die Welt umspannten und das Leben gefährdend beeinflussten. Ida ist verwitwet und alleinerziehend. Da sie jüdische Vorfahren hat, bangt sie mit den aufkommenden Gesetzen um ihr eigenes und das Leben ihres Sohnes. Sie ist erschöpft und lebt in einem Armenviertel in Rom. Die Handlung entfaltet sich mit der Begegnung eines Wehrmachtsoldaten, der Ida vergewaltigt. Ihre Schwangerschaft versucht sie geheim zu halten und auch die Geburt macht sie still bei einer ferneren Hebamme. Jetzt ist sie Mutter zweier Söhne, die unterschiedlicher nicht seien können und versucht, sich und ihre Kinder durchzubringen. Nino, der ältere, wird ein Schwarzhemdträger und möchte kämpfen. Später wird er bei den Partisanen sein. Somit wird in der Handlung immer wieder das Geschichtliche erfahrbar anhand der Charaktere und ihren individuellen Wegen. Der jüngere Sohn, Giuseppe, Useppe genannt, verbringt seine Tage meist daheim.

Die Verknüpfung des einfachen, armen Lebens im Rahmen der zeitgeschichtlichen Ereignisse macht das Buch zu einem Ereignis. Die Menschheitsverbrechen und die Formen der Diktatur stehen auf der Anklagebank und die Zeugen sind einfache und authentisch erfasste Menschen. Die Literatur von Elsa Morante ist Weltliteratur, die sich jedem erschließt. Sie verbindet das Weltgeschehen mit den Auswirkungen im alltäglichen Leben. Durch die Charaktere entsteht eine literarische Wahrnehmung der damaligen Zeit. Die Entmenschlichung und gegenseitige Entfremdung innerhalb der Familie und des Weltgeschehens sind in „La Storia“ die ganze Geschichte. 

Der Titel „La Storia“ ist somit nicht anmaßend, sondern ein sehr passender. Denn diese Geschichte ist eine Bereicherung der Literatur. Der Roman lässt sich langsam bezwingen und kann herausfordernd sein durch die Genauigkeit und den Umfang. Die neue Übersetzung stammt von Maja Pflug und Klaudia Ruschkowski. Ein nachwirkendes Leseereignis.  

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Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Elsa Morante: „La Storia“

  1. Steht bei mir demnächst auch an. Ich wollte diesen Roman schon immer mal lesen. Viele Grüße in den Norden

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