
Schaurig schöne Rache. Ein komprimierter Roman, der so lebendig ist, dass sogar die Toten leben und der in das Zentrum ein Haus stellt, das alles erlebt und somit selbst die Schatten zum Leben erweckt. Diese Rachegeschichte, die durch den Phantastischen Realismus Elemente des klassischen Schauerromans beinhaltet, ist etwas Besonderes und großartige Literatur.
In einer reduzierten, poetischen Sprache, die fast atemlos macht wird die Handlung erzählt, die aus zwei Perspektiven viele Geschichten einverleibt. Die fehlenden Kommata minimieren die Pausen im Redefluss und die Luft beim Erzählen wird immer dünner und wir müssen selbst am Ende tief Luft holen.
Ein Geisterhaus als Metapher oder als Handlungsort ist nichts Ungewöhnliches. Besonders wenn es um die Gräueltaten der Vergangenheit geht. Doch ist diese Grusel-Parabel etwas ganz anderes. Das Haus als Schutzraum, der das Behütende umkehrt und seine Bewohner nicht loslässt. Die Wahrnehmungen verschieben sich. Das Leid der Frauen und die ekelhafte Überheblichkeit der Männer als Ausgangsbasis. Somit erinnert das kurze Werk an Allendes Geisterhaus, an Endes Spielverderber und an die klassische Gruselliteratur.
Es sind zwei Frauen, die abwechselnd erzählen. Die Enkelin und ihre Großmutter. Sie leben in einem alten Haus in Südspanien. Das Haus hat sein Eigenleben, es knarzt, rumpelt überall und es lässt die beiden nicht los. Sie leben in einfachen Verhältnissen und gekocht wird in einem Topf mit allen Zutaten, die gerade zur Hand liegen, die einfach zum beständig köchelnden Eintopf hinausgeworfen werden. Es sind die Schatten, die sich ihrer bemächtigt haben. Die Seelen der Verstorbenen sind in den Gemäuern aktiv. Mauern, die Kriege und das menschliche Leid in ihrem Fundament zementiert haben. Auch die Frauen haben ihre eigenen Geschichten, die nun das häusliche Leben ergänzen. Die Enkelin hat unter ihrer Aufsicht den Sohn einer mächtigen Familie des Ortes verloren, entkommen lassen, der seitdem verschwunden ist. War es ein Zufall, eine Unachtsamkeit? Oder verbirgt sich mehr dahinter, wie in der Vergangenheit der Großmutter, deren Mutter ihren Mann eingemauert hatte? Die Macht der vermögenden Familien und besonders das Machtspiel der Männer werden dabei immer deutlicher. Die Geschichte des Hauses beginnt mit einem Mann, der seine Macht erkannte und Frauen an sich band, die er dann prostituierte und an sich fesselte.
Somit ist es eine feministische Rachegeschichte, die die Realität verrücken lässt. Die beiden Perspektiven nehmen immer mehr Konturen an, um dann doch alles zu verzerren. Die Bilder drehen sich. Auch die Heiligenbilder, die Schutz geben sollten sind die Falschen. Denn auch die Engel sind hier Heuschrecken.
Ein Werk, das roh und doch feingeschliffen ist. Der Schutzraum der eigenen vier Wände verwandelt sich und der Roman erzeugt ein Gefühl der Isolation. Ein Schauerroman, der die Gesellschaft und die Geschichte in den Satzfugen einmauert. Der Text wirkt auf uns ein und legt immer mehr an zementiertem Unwohlsein frei. Ein literarischer Aufruf zur feministischen, menschlichen Freiheit und Unabhängigkeit. Übersetzt aus dem Spanischen von Christiane Quandt.
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