
William Boyle hat erneut einen Brooklyn-Roman geschrieben. Einen sehr düsteren, aber einen, in dem jede Figurenzeichnung großartig angelegt ist. Um ein Drama aus dem Jahr 1996 entwickelt sich fünf Jahre später eine verstrickte Handlung voller Leidenschaft, Trauer, Gewalt, rücksichtslosen Menschen und den Versuch des Verarbeitens und Vergebens. Ein Spannungsroman, der Grenzen überwindet und mit einem enormen Sprachklang Leinwandszenerien in unsere Köpfe malt. Der Roman wurde aus dem Amerikanischen von Andrea Stumpf übersetzt.
Zwei Jungs, Bobby Santovasco und sein Freund Zeke, Teenager und nicht gerade die Klügsten, hängen gerne ab und träumen von unerfüllten Erlebnissen mit Mädchen. Aus Zeitvertreib werfen sie Sachen von einer Brücke, nahe einem Shopping-Center in Südbrooklyn. Erst Ketchup oder Ähnliches. Dann Steine. Daraus machen sie eine dumme Wette und eine junge Frau stirbt. Die Jungs können entkommen.
Jack Cornacchia hat ein trauriges Leben. Er ist Witwer und hat auch kurz nacheinander seine Eltern verloren. Nun ist er alleinerziehender Vater und möchte seiner Tochter, Amelia, den Weg als Schriftstellerin ermöglichen. Er ist per Zufall an den Job eines Rächers und Eintreibers gekommen und übt bezahlte Selbstjustiz aus. Als er gerade von einem Auftrag heimkommt, der ihn zu dem zwielichtigen und dauernd Milch trinkenden Anlagenberater Max Berry führte, fährt er an einem Unfall vorbei. Es ist jener, den Bobby und Zeke verursacht haben und die Tote ist Jacks Tochter, Amelia.
Fünf Jahre später verbindet sich alles zufällig. Jack macht einen Schreibkurs in kirchlichen Kellergewölben bei Lily Murphy, die ihn an seine Tochter erinnert. Er versucht, die Vergangenheit und den Schmerz durch Literatur zu ordnen. Lily ist die Stiefschwester von Bobby, der nun für Max arbeitet, der seine Machenschaften weiterhin ausführt und wohl Kontakte zu der Mafia pflegt. In dem heruntergekommen Büro lagert er eine entwendete Tasche voller Geld und Drogen als Freundschaftsdienst in seinem Tresor. Alle träumen von dem großen Coup und der Möglichkeit abzuhauen. Auch Bobby, der den Tresor ausraubt und sich dadurch mit den Falschen anlegt. Ausgerechnet Jack erhält den Auftrag, sich der Sache anzunehmen, nicht wissend, dass er dadurch den Verantwortlichen am Tod seiner Tochter begegnen wird.
Ein epischer Spannungsroman, der eher durch die Charakterentwicklung an Spannung zunimmt. Er benötigt keine großen Handlungsverläufe sondern schildert die innere Enge und die äußere Befangenheit innerhalb des Milieus. Die Handlung ist düster und die Figuren agieren schonungslos. Dennoch gibt es stets Hoffnung und Humor. Ein wuchtiges und ergreifendes Werk.
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