
Ein reiches Buch über Freundschaft, Integration und Erwachsenwerden. Der Autor hat ein Memoir geschrieben, als sein Verlust groß war und er sich an die enge Freundschaft erinnert. Er spürt den Fragen nach, was die Unterschiede waren, die trennenden Elemente und jene, die sie gemeinsam hatten. Innerhalb einer guten Freundschaft entsteht eine Membran, die das Ich durchlässig werden lässt und die Abgrenzung wird nebulös. Ferner ist es ein Blick auf ein ganz anderes Kalifornien. Der Blick der Einwanderer aus Taiwan.
Hua Hsu wurde 1977 geboren und ist Professor für Anglistik in New York. Er schreibt als fester Autor für den „New Yorker“. Seine Schwerpunkte sind Immigration, Diversität und öffentliche Wahrnehmungen. „Stay True“ gewann den Pulitzer-Preis und ist bereits sein zweites Buch. Nun liegt die deutsche Übersetzung von Anette Grube vor. Das Werk ist bereits als Druckmedium eine Bereicherung und wird authentisch ergänzt durch die Fotos, Notizen und anderen Ablichtungen.
Hua Hsu schreibt all das, weil es seine Weise ist, mit dem Verlust zurechtzukommen. Geschichten, hofft er, bauen Brücken über Abgründe. Der Text ist einnehmend und baut sich kontinuierlich zu etwas viel Größerem auf. Der Titel ist einem schriftlichen Zuruf des Freundes entnommen, sich selbst treu zu bleiben. Doch was ist dieses Selbst? Dies ist der anfängliche gedankliche Prozess. Die Eltern stammen aus Taiwan und Hua Hsu versucht beide Kulturen, die in und an ihm wirken, zu ergründen. Er wägt ab und grenzt ab. Besonders am College, wo er unauffällig auffällig sein möchte. Literatur und besonders Musik prägen ihn. Musik, die handgemacht und emotional ist, spricht ihn sehr an. Er liebt die Songs von Nirvana, hadert aber dann mit seiner Individualität, als alle diese Band vergöttern. Er schreibt in einer eigenen Publikation über Musik, Film und Kunst und faxt seinem Vater, der zurück nach Taiwan ging, Gedanken die ihn umtreiben. Er findet meist etwas gut, wenn andere es nicht mögen. Das ist ein anstrengendes Unterfangen der Jugend. Dies ändert sich, als er auf dem Campus Ken kennenlernt. Sie mögen sich erst nicht. Ken achtet auf ein gutes Erscheinungsbild, hört ausgerechnet Pearl Jam und ist bereits gut integriert und hat einen Bekanntenkreis. Die anfängliche Distanz löst sich durch Ausflüge mit den Wagen der Eltern, Mixtapes hören und den Gesprächen auf. Es sind existentielle Themen, die sie neben Belangloses stellen und ergründen. Sie führen Balkongespräche, die sie vor den Kameraden inszenieren und aus gespielten Rauchern werden echte und wahre Freunde. Jede Zigarette war der Weg für weitere Gespräche. Diese und die Ausflüge an die Küste lassen die Freundschaft stetig wachsen. Doch dann ist Ken plötzlich weg. Er wird das Opfer eines sinnlosen Verbrechens.
Hua Hsu hält an der Freundschaft fest, er fixiert die Momente, die er erinnern möchte und hinterlässt einen literarischen Schatz. Die Geschichte einer Jugend, die ihre Verbindung mit der Gesellschaft sucht, sich von dieser aber auch abgrenzen will und den ganzen Sinn dahinter erspüren möchte. Ein großes Werk über Zugehörigkeit, Freundschaft und Trauerbewältigung. Das Werk inhaliert uns und erzeugt eine Bindung an den Erzähler, so dass wir integriert werden und den Verlust und das Schöne auf jeder Seite erleben dürfen.
Zum Buch in unserem Onlineshop
Weitere Lesetipps von mir und tolle Gäste auf YouTube: Leseschatz-TV