
Der Anfang wiederholt sich mit jedem Kapitel. Zwei Jungs auf der Pirsch. Sie schleichen sich an einer Grenze entlang, beobachten, suchen und bemühen sich keinen Laut zu machen. Der Schritt immer ganz bedacht gesetzt und die Aufgabe wirkt wie Kinderspiel. Sie sind mit Holzschwertern bewaffnet. Ein Reich gilt es zu schützen. Mit jedem Schritt führen uns die Kinder, der große und der kleine Bruder, in „Matara“ ein.
Ein naives Kinderspiel in den sommerlichen Wäldern von Finnland. Doch kippt die Naivität. Denn was in uns Menschen ist, schlummert bereits in Kinderseelen. Matias Riikonen beschreibt in einer enormen Fülle und lässt die Natur aus den Zeilen wachsen. Natur und Kinderspiel könnten eine sorgenfreie, schöne Zeit suggerieren. Erwachsene gibt es nicht in Matara und es ist auch streng verboten über alles, was außerhalb liegt, zu reden. Matara ist ein Staat, geboren aus der Phantasie und doch ungemein real. Die scheinbare Welt spiegelt innerhalb der erdachten Grenzen doch die unsere. Denn ist nicht alles, was Kinder oder Erwachsen tun, stets aus der Imagination und dem Glauben daran entstanden? Frieden nur ein Wunsch, Grenzen nur eine Linie und Menschlichkeit hört beim Abgrenzen auf. Gibt es eine innere und eine äußere Welt, die sich unterscheiden? Solange wir Menschen sind wohl kaum und die Grenzen werden zu semipermeablen Membranen.
Jeder hat auch in diesem Staat seine Aufgabe. Wenige sind die Herrscher. Doch gibt es auch einen Senat und eine Ahnung von jeglicher Mitbestimmung. Andere sind Krieger oder Grenzgänger, wie die beiden Brüder, die stets namenlos bleiben. Sie spielen und machen doch Ernst und kopieren, wie so oft, die alten Römer und rufen dabei „Ave Matara“. Auch der Name, Matara, ist im Lateinischen ein Wurfspieß. Umhänge, Staatenaufbau unterliegt alles dem antiken Vorbild. Doch spielt es sich hier mitten in den finnischen Wäldern ab. Die Natur übernimmt eine große Rolle in dieser Partie. Die Brüder laufen lautlos, mit geübtem Fußabrollen durch das Gewächs. Dabei spüren sie auf. Kundschaften, denn was außerhalb liegt ist feindlich. So kommt es auch zu Kämpfen und Sklaven werden gemacht. Spielgeld wird ebenfalls eingeführt und somit auch die Verschuldung ermöglicht.
Ein Kinderspiel wird erwachsen. Erhebt sich aus der Harmonie und Naivität. Ein Spiel, das wir Menschen schon immer zu spielen bereit sind. Matara ist dabei nur ein wunderbares Bild. Ein Bild innerhalb von natürlicher Schönheit und Fülle. Doch mit den Gesetzen, besonders jenen der Abgrenzung und der Verpflichtung, niemals von dem zu sprechen, was außerhalb von Matara passiert, verändert sich das harmonische Bild des Kindlichen. Die Wildnis der Natur steht der inneren Wildnis gleichberechtigt gegenüber. Kinderphantasie lässt Staaten bauen, ergründen und verteidigen. Auch wenn das Schwerterklingen hölzern ist, hat es etwas Bedrohliches.
Eine Reise gesehen durch Kindesaugen in die Wälder Finnlands, die unsere Welt darstellen. Ein Roman, der eine neue Darstellung und Weiterführung von „Der Krieg der Knöpfe“ ist. Matias Riikonen hat eine Traumwelt erschaffen, die keine ist und der Natur und den darin agierenden Kindern, auch denen ohne Namen, viel Lebendigkeit durch Sprache schenkt. Übersetzt wurde der Roman aus dem Finnischen von Maximilian Murmann.
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