Judith Kuckart: „Die Welt zwischen den Nachrichten“

Ein autofiktionaler Roman von Judith Kuckart? Judith Kuckart ist Tänzerin, Regisseurin und Autorin. Mit ihren Werken ist sie zu einer bedeutenden Stimme der gegenwärtigen und deutschsprachigen Literatur geworden. „Die Welt zwischen den Nachrichten“ besteht aus Rückblicken, auf die damaligen Ereignisse und auf das persönliche Leben. Es steht dort zu lesen: „Alles ist gewesen, nichts war genau so“. Denn wenn wir erinnern, vermischt sich Vergangenheit mit Erträumtem, Erdachtem und dem gewollt oder ungewollt Erfundenen. Was ist davon Wirklichkeit? Die Geschichte und die Ereignisse werden Schlagzeilen, Bildmomente, die unser Leben begleiten. Die individuelle Biographie erschafft eine eigene Welt neben, zwischen und an den Nachrichten vorbei.

Somit ist das Werk ein Einblick in Zeit und Leben. Ein Roman aus Wahrheit, Phantasie und Empfundenem. Der Text hangelt sich am Leben der Autorin entlang und es ist auch Judith, die im Mittelpunkt steht. Sie wurde 1959 in Schwelm geboren. Früh begann sie zu tanzen und ist für das Theater aktiv und schreibt Stücke. Sie lebt jetzt als Regisseurin und Schriftstellerin in Berlin und hat einige Romane geschrieben, die mit zahlreichen Literaturpreisen bedacht wurden. Das neue Werk spielt mit den Perspektiven und Wahrnehmungen. Wo liegen die Grenzen zwischen Geschichte, literarischer Freiheit und der Biographie? Gewollt oder ungewollt meldet sich ferner durch den Lesegenuss eine ganz andere Stimme. Die eigene, die des Lesenden. Denn die beschriebenen Zeiten wecken Erinnerungen und öffnen Portale zu den eigenen Welten, die durch die Lektüre neu durchdrungen werden.

Durch kurze Episoden erfahren wir die Zeitqualität neu. Diese Art der autofiktionalen Erzählung erinnert an die großartigen Werke von Annie Ernaux. Beide bedienen die Kurzform, um Großes zu erschaffen. Kuckart dehnt nur das Spielfeld durch Phantasie weiter aus und bindet uns willentlich mit ein. Es sind Kantinentreffen und Gespräche, die einen Rahmen setzen. Nebenbei historische Ereignisse und Persönliches. Die RAF-Zeiten, der Mauerfall und der Einstieg in die Welt der Bühnenkunst. Das Melancholische und die Wehmut vermischen sich mit Leichtigkeit und schöner Poesie. Die Großmutter, die eine feste Konstante im Leben ist, und das Elternhaus prägen die junge Judith, die dann dem Ruf der eigenen Bestimmung folgt.  

Ein wunderbares Sprachspiel, das Geschichte neu belebt. Das Wahre, das Erlebte und das Empfundene beginnen hier zu tanzen. Es macht Spaß, durch die Lektüre die Lücken mit den eigenen Gedanken zu füllen. Somit wird wohl der Roman für jeden ein ganz persönliches und bereicherndes Leseabenteuer werden. Ein großes, persönliches und lesenswertes Werk, das durch Bilder ergänzt wird und ein literarisches Zeitdokument ist und wird.  

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