Melanie Raabe: „Der längste Schlaf“

Es gibt etwas, dass einen Großteil unseres Lebens beeinflusst, aber bisher noch viele Rätsel aufwirft und nicht endgültig geklärt ist: der Schlaf. In diese spannende Welt lädt uns Melanie Raabe mit ihrem neuen Roman ein. Sie hat das Thema ausgiebig durchdrungen, um es romanhaft lebendig werden zu lassen. Eine traumhafte Handlung, denn Melanie Raabe spielt mit den Genres und webt in den Roman magischen Realismus ein, der aber, wie wohl auch einige Träume, etwas sichtbar machen möchte, was im Selbst verborgen ist.

In den verschiedenen Schlafphasen sinken wir in unser Unterbewusstsein, zu unseren Träumen und minimieren immer mehr das Bewusstsein. Schlaf, das Gegenteil vom Wachzustand, ist überlebenswichtig für den Körper und den Geist. Er sei der kleine Bruder vom Tod, wird gesagt. Der Tiefschlaf lässt uns gänzlich wegtreten und die REM-Phase lässt uns wiederum aktiv werden, durch Beweglichkeit und die meisten Träume.  

Die Neurowissenschaftlerin Mara Lux erforscht den Schlaf. Denn ihre Gegenwart ist geprägt durch das Thema. Sie ist aufgewachsen in Deutschland und lebt in London. Als Kind hat sie Träume, die ihren Eltern Sorgen bereiten. Denn manche wirken prophetisch. Daher soll Mara als Kind über ihre Träume nicht mehr reden. Doch damit hören diese nicht auf. Zu ihrem zehnten Geburtstag träumt sie vom Tod der Eltern. Sie bricht das Versprechen und spricht den Traum an. Hat sie es vorhersehen können oder hat sie, durch den Versuch, die Eltern aufzuhalten, die Ereignisse provoziert? Denn die Eltern geraten an Maras Geburtstag in einen tödlichen Verkehrsunfall. Mara wird daraufhin adoptiert und erhält eine Schwester, die zu einer guten Freundin wird.

Mara lebt nun in London und ist eine führende Forscherin auf ihrem Gebiet. Doch leidet sie selbst unter Insomnie und fürchtet ihre Träume. Denn die unheimlichen Träume sind wiedergekehrt. Kurz vor einem Vortrag, den sie halten soll, erreicht sie eine E-Mail eines Notars aus Deutschland. Jemand möchte Mara ein Herrenhaus in der Nähe von Frankfurt schenken. Die erste Skepsis weicht einer Neugier, als sie weitere Schreiben bekommt. Die Schenkung ist auch so geregelt, dass für Mara keine Kosten anfallen und selbst für die weitere Instandhaltung des Gebäudes ist finanziell gesorgt. Also macht sich Mara auf den Weg in die ferne Kleinstadt. Dort ist alles noch wie verträumt. Das dörfliche Leben wirkt ganz anders auf sie als das wuselige Leben in London. Das Herrenhaus selbst ist prächtig und der kleine äußerliche Verfall zeigt sich nicht im möblierten Innenleben. Erstaunt stellt sie fest, dass sie diesen Ort kennt, aus ihren Träumen …

Melanie Raabe erzeugt sofort eine Verbindung zu der Protagonistin, die mit wenigen Sätzen bereits sehr lebendig ist. Die Handlung nimmt einen sofort gefangen und die Motive erzeugen ein enormes Interesse und eine Spannung. Melanie Raabe schreibt unterhaltsam und doch tiefgründig. Denn die Metaphorik, die Emotionalität und die Gedankenbilder reisen durch unsere Bewusstseinsebenen. Vom Brunnen, zum turbulenten Menschengewimmel einer Großstadt zum unheimlichen Herrenhaus in der Provinz. Der Bogen schließt sich am Ende gänzlich und hinterlässt eine Erinnerung an eine traumwandlerische Lesereise.

Selfie mit Melanie bei der Feierlichkeit zum Deutschen Buchhandlungspreis 2023

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