Carlo Cassola: „Ins Holz gehen“

Ein minimaler Roman, der aber den inhaltlichen Umfang eines großen Werkes hat und nichts weniger beinhaltet als das Leben. Mit wenigen, fast schon nüchternen Sätzen umspannt Carlo Cassola das Dasein, das sich hierbei auf das Grundlegendste reduziert. „Ins Holz gehen“ handelt von einem Trupp Männer, die als Holzfäller in einem abgelegenen Schlag arbeiten. Der den Holzschlag organisiert hat ist der frisch verwitwete Holzfäller Guglielmo, der vorher im Laden seiner Tante vorbeischaut und dann seine Schwester aufsucht, bei der er für die kommenden Monate seine Töchter untergebracht hat. Er nutzt den Bus und den letzten Weg geht er zu Fuß, wie auch am kommenden Tag mit den anderen Männern, denn das Gebiet, das sie für den Holzschlag gepachtet haben, ist einen langen Fußmarsch von der nächsten Ortschaft entfernt.

Guglielmo wird von dem schwierigen, aber erfahren Fiore, dem in die Jahre gekommen Francesco, dem unauffälligeren Amedeo und dem relativ jungen Germano begleitet. Alle haben ihre Geschichten und Zukunftspläne sowie Sorgen. Das Holzfällen ist das, was sie können. Somit führen sie ein karges Leben. Überall ist Arbeit, Leid, Tod und Schmerz. Die Älteren unter ihnen haben sich mit dem abgefunden und gerade die, die keine eigene Familie mehr haben, suchen die Geselligkeit in der Arbeitsgruppe. Im Waldstück errichten sie eine Holzhütte, die für sie über den Herbst und den Winter als ein Zuhause reichen muss. Das Wetter spielt lange mit und somit können die fünf Männer fast jeden Tag Holz schlagen und kommen gut voran. Das Holz wird durch Esel abtransportiert oder später sogar durch den Köhler weiterverarbeitet. Es sind Monate zäher und anstrengender Arbeit. Ihrer Einsamkeit entkommen sie durch das gemeinsame Rauchen und die Abende vor dem Feuer.

Es sind Stunden des Kartenspielens und der Geschichten, die sie sich erzählen. Dabei spielt Francesco eine besondere Rolle. Er ist nicht der beste Arbeiter, aber einer der Anekdoten erzählen kann. Daher hat ihn Guglielmo auch vorrangig engagiert. Gewöhnlich sind es Geschichten aus seinem Leben. Aber auch über die alten Zeiten kann er berichten. Nicht alles ist glaubhaft, doch glaubwürdig oder nicht, es sind genau die Erzählungen, die die Männer brauchen, um über die harten Monate zu kommen. Die nächsten Menschen sind noch weiter in den Bergen und selten gibt es Berührungspunkte.

Doch gibt es auch Momente der Stille. Die meisten kehren zu Weihnachten für wenige Tage heim, um bei ihren Familien zu sein. Andere bleiben im Wald, in der Hütte, denn das Wetter schlägt um. Guglielmo konnte den Verlust seiner Frau durch die Arbeit überspielen, doch mit der Stille kommen die Grübeleien und Gefühle. Er denkt an seine Frau, wie sie war und nicht, wie sie starb. Doch wollte sie auf dem Sterbebett etwas zu ihm sagen, konnte es dann aber nicht mehr. In der Abgeschiedenheit der toskanischen Wälder beginnen seine Gedanken, die ihn nicht mehr loslassen. Er muss sich, auch in Gedanken an seine Töchter, dem Verlust und der Trauer stellen und Hilfe zulassen, wo auch immer er diese finden mag.

Kaum eine Novelle und doch ein enormes Werk. Dies schafft nur Literatur. In kleine Räume schauen, um dadurch Bilder zu erzeugen, die unsere Gedanken und Emotionen umzaubern.

Die Originalausgabe erschien 1959, ist kein bisschen gealtert und wurde nun aus dem Italienischen von Marina Galli übersetzt.

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