
Ulrich Rüdenauer geht in seinem großartigen Debütroman der Frage nach, wie es einem Kind in der Nachkriegszeit ergeht, das in einer ablehnenden Umgebung seinen Weg finden muss. Ein Werk wie ein Geschenk und Lichtblick. Denn es ist eine Kindheitsgeschichte, die traurig und doch wunderschön ist. Sie ist fast freudlos und doch voller Trost. Das Gute und das Schlechte sind im Leben nicht vorhersehbar. Doch das Gute geschieht wohl häufiger, man muss es lediglich erkennen und darauf reagieren können.
Durch das Fußballspiel 1954 wird der Zeitpunkt gesetzt. Der Titel spielt aber vorrangig nicht auf den Sport an, sondern auf die Lebensposition des fast neunjährigen Richard. Doch wird ein Treffen mit einem Fußballspieler der Höhepunkt und Schlussakt des Romans sein. Das Handlungsspiel beginnt bangend auf einer Bank mit dem Kreuzsymbol im Blick. Ein Marienmantel hat als Gemälde und am Ende als getragene Bekleidung eine ummantelnde Bedeutung für die Handlung. Denn den Buchumschlag ziert ein Ausschnitt des Gemäldes „Stuppacher Madonna“ von Grünewald, das auch in der Stube beim Onkel von Richard hängt. Das Bild bringt Farbe in seine Wahrnehmung, denn alles wirkt schwer und trist in seinen jungen Jahren. Vater und Mutter sind nicht da und dies ist der fragende Spannungsbogen, wo diese sind und was passiert ist. Richard wächst auf dem Hof seines Onkels auf. Es ist eine schweigsame Welt. Es wird eher gegrummelt als gesprochen. Die Kriegsereignisse sind noch nah und doch aus den Köpfen verbannt. Die Menschen zeigen sich christlich und sind es im Alltag kaum. Richard muss sehen, wie er zurechtkommt. Halt findet er bei einer älteren, wunderlichen Frau des Dorfes und bei seinem Großvater. Doch kann dieser nicht immer da sein, wenn Richard in Not gerät. Der es somit meist still erträgt. Die Schule ist ebenfalls kein behütender Ort, schon gar nicht, wenn der Pfarrer unterrichtet und die Kinder malträtiert.
Das Schöne und das Sichere findet Richard in der Natur, am liebsten an der Hand des Großvaters, der für ihn den Vogelgesang deutet und die Pflanzennamen benennt. Stets ist Richard in der Familie des Onkels nur geduldet und niemals geliebt. Er hört den Namen seiner Mutter und kann diesen nicht in eine Verbindung bringen. Gerne ist er beim Händler, der Werkzeug verkauft und spielt Kaufmann. Eines Tages passiert ein Unglück, an dem sich Richard die Schuld gibt und der Onkel kommt ins Krankenhaus. Das Fernbleiben des Oberhauptes bringt auf dem Hof eine unausgesprochene Erleichterung, aber auch Müßiggang, da Richard sich verantwortlich fühlt und auf Sanktionen wartet. Die Strafe bleibt aus und wendet sich in eine Befreiung, die den ersten großen Wendepunt in Richards Leben darstellt. Doch bleiben die Fragen und nach der Rückkehr des Onkels kehrt der Alltag zurück und letztendlich muss Richard seinen Weg alleine finden. Ein Weg, der in einem schweigenden Deutschland der Nachkriegszeit seinen Anfang nahm.
Ein einfühlsamer, ergreifender Roman, der trotz der Schwere eine faszinierende Schönheit hat. Die Lebensmomente, die Richard erlebt, fühlen wir enorm mit. Elegante und kluge Formulierungen runden diesen wunderbaren Roman ab und es ist zu hoffen, dass dieser in der Buchwelt nicht ins Abseits gerät, sondern viele berührt und beschäftigen wird.
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