
Ein wunderbarer, klassischer Krimi. Ein Roman aus Japan, der an die Großmeister Hitchcock und Christie erinnert. Eine Handlung wie ein Fahrplan, genaustens durchdacht und geplant. Die Zeit und die Abfolge sind für den Hergang sehr wichtig und sobald wir in den Zug einsteigen, nimmt dieser auch seine Fahrt auf, führt uns durch fast ganz Japan und wird durch sein Rätselspiel immer spannender.
Der Tatort ist eine Bucht, die eine schöne Aussicht zu bieten hat, aber sonst sehr steinig und karg ist. Eigentlich kein besonderer Ort, um einen Suizid zu begehen. Doch findet ein Arbeiter dort zwei Leichen. Ein junges Paar aus Tokio hat wohl gemeinsam dort den letzten Trunk vermischt mit Zyankali eingenommen. Die Polizei geht von einem Doppelselbstmord aus und sieht keinen Anlass für weitere Ermittlungen. Doch den Kommissar Torigai beschäftigt der Fall in Gedanken weiter. Denn Ungereimtheiten lassen ihm keine Ruhe. Warum ist das Paar aus Tokio mit dem Zug hierher gefahren, um sich gerade an diesem Strand das Leben zu nehmen? Wenn es ein Liebespaar war, warum hat der Mann laut einer Quittung alleine im Zug gegessen. Auch wenn sie keinen Hunger gehabt hätte, hätte sie ihn wohl begleitet. Ist sie womöglich vorher ausgestiegen, denn der Mann hat auch nur für sich ein Hotelzimmer gebucht.
Es gab in Tokio Augenzeugen, die das Paar bei der Abreise gesehen haben. Ein angesehener Geschäftsmann, der oft Beamte oder Geschäftspartner zum Essen einlädt. Er ist ein gern gesehener Gast und er zeigt sich erkenntlich und lädt zwei der Kellnerinnen ein. Als die Frauen ihn zu seinem Zug begleiten, sehen sie eine weitere Serviererin, Toki, die mit einem feinen Herrn einen Fernzug besteigt. Toki und der Herr, ein Beamter ist es, die in der Bucht am Strand tot aufgefunden werden.
In der Ortschaft, in der der Tatort liegt, gibt es zwei Bahnhöfe und mehrere Zeugen, die das Paar an verschiedenen Orten gesehen haben. Die Polizei in Tokio ermittelt in einem ausufernden Fall um Korruption innerhalb der Behörden. Da der Tote ein Mitarbeiter eines Ministeriums war und sein Ableben Fragen aufwirft, beschäftigt sich auch der Polizist Kiichi Mihara mit dem Doppelselbstmord. Immer mehr Ungereimtheiten beschäftigen die beiden Polizisten. Warum hatte der Mann für seine Geliebte kein Zimmer gebucht und wartete tagelang auf ihren Anruf? Der, als dieser erfolgte, beide sofort den Weg zum Strand nehmen ließ? Wie kam es, dass die Kolleginnen von Toki sie auf dem Bahnhof in Tokio sehen konnten? Das Gleis war von ihrem Standort weiter weg und es gab lediglich ein Zeitfenster von vier Minuten, in dem auf den dazwischen liegenden Gleisen kein Zug die Sicht versperrte.
Bei den Ermittlungen sind es immer wieder die Züge, die Fahrpläne und die Wegstrecken, die durch ganz Japan führen. Minutiös muss der Fall aufgeklärt werden. Denn wenn es kein Selbstmord war, haben die Polizisten es mit einem raffinierten Täter zu tun. Eine feine Lektüre, die wie eine Zugreise viele Landschaften und Aspekte durchstreift und dabei für kluge Unterhaltung sorgt. Die Handlung ist so komponiert, das wir ohne viele Zwischenstopps das Ziel erreichen möchten. Übersetzt wurde der Kriminalroman aus dem Japanischen von Edith Shimomura, Buccie Kim und Mirjam Madlung und stammt im Original aus dem Jahr 1958.
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