Christopher Ecker: „Notizen aus einem Lager an der egozentrischen Grenze“

Ein kleines Buchkunstwerk, das durch seine feine Verarbeitung mit Leineneinband, Fadenheftung und einem schlichten, aber gelungenen Layout auffällt. Christopher Ecker gehört zu den wichtigen Stimmen der deutschsprachigen Literatur, entzieht sich aber bewusst der großen Arena des Literaturbetriebes. Die meisten seiner Werke sind groß und benötigen Raum. Doch beherrscht er auch die Reduktion und seine Texte sind ein nahbares Spiel aus Kunst und Unterhaltung. Doch keimen in allen stets der philosophisch geschulte Blick und ganz viel Humor. Nun sind es Notizen. Aphorismen, Reflexionen und Beobachtungen als Zwischenzeilen seiner Hauptwerke.

Sollte man Ecker nicht kennen, könnte der erste Blick in das Büchlein ein großes Fragezeichen setzen. Was soll das und was will Ecker? Doch beim gänzlichen und chronologischen Lesen ergibt sich ein Ganzes. Ecker tanzt mit dem oder sogar mit seinem Ego und lädt dabei das Banale, das Tiefgründige und das Alberne ein. Er wird auch persönlich, somit ist es wohl doch sein Ego, denn die Notizen kleiden sich autobiographisch und setzen Spitzen gegenüber der Abstumpfung der Gesellschaft und auch an jenen Kritiker, der einst eins seiner Bücher rezensierte, ohne es jemals gelesen zu haben.

Es sind Betrachtungen aus den egozentrischen Grenzen. Der Mensch stellt sich stets in den Mittelpunkt. Möchte er eine Distanz erschaffen und seinen Aufmerksamkeit auf Äußeres lenken, sind es doch seine Betrachtungen und Gedanken, die er dabei fokussiert. Wenn der Mensch zum Beispiel, so Ecker, beklagt, dass ständig Fliegen auf ihm landen, ist er doch nicht das einzige Landeobjekt, denn die Fliegen setzen sich auf alles. Das Leben als Schauspiel: Alle Menschen treten auf, erst jene die gelebt haben, dann wir lebenden und nach uns die kommende Generation. Alle Egos sind somit auf der Bühne und der Zuschauerraum bleibt leer. Ecker liebt es ferner zu lesen und somit sind seine Notizen auch literarisch verwurzelt. Dabei macht er keine Grenzen zwischen Unterhaltung und Anspruch. Horror darf auch Erwähnung finden, doch wird dieser absurd, denn wie kommt es zu einer platonischen Liebe zwischen Mumien? Aber immer wieder taucht das Ego auf und bekennt, dass das Ich ein gutes Team ist. Somit wird, die Weisheit des Großvaters, jeder sein eigener Blamator. Die Handlungsorte sind oft Schleswig-Holstein und Kiel. Eine Busfahrt nach Laboe kann als Beispiel für egozentrische Verwirrung sorgen. 

Ecker hat Witz und schreibt fordernd, klug und jedes Fragment lässt uns kurz innehalten, schmunzeln oder innerlich nicken. Das Buch sollte auch chronologisch erfasst werden, denn die Notizen sind doch irgendwie passend sortiert und bauen in uns etwas auf. Was wäre auch, wenn in einem Roman jemand vorblättern würde und der Hauptcharakter sich plötzlich um Jahre gealtert wiederfindet?

Die erste Auflage besteht aus 100 Exemplaren. Jedes Exemplar ist nummeriert und vom Autor signiert. Diese Grenzgänge machen dem Ego Freude und werden wohl öfters durchstreift werden, um dann doch die dezente Bitte zu erlauben, dass Ecker jetzt auch mal wieder einen Roman veröffentlichen dürfte.

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