
Dieser Roman lässt eine alte Tradition aufleben, die des Geschichtenerzählens. Somit ist er sehr lebendig, bestürzend und humorvoll. Das Phantastische reiht sich neben die Fakten ein und mythenhaft windet sich die Handlung um die Historie Indonesiens. Literatur vermag weiterzugehen, als es sachliche Berichte oder Bücher vermögen, denn sie bereichern durch ihre Emotion das vorgetragene Wissen, das durch die Empathie somit eher den Zugang zu uns findet.
Angesiedelt ist die Geschichte auf Timor, der Heimatinsel von Felix K. Nesi. Nur der Ort, Oetimu ist fiktiv, aber doch aus den persönlichen Erinnerungen zusammengesetzt. Ein Ort, der mittig und zwischen den Grenzen liegt. Nesi erzählt aus voller Leidenschaft und füllt den Roman mit ganz viel Leben. Der Untertitel garantiert die wahre Geschichte von Timor zu erzählen. Doch wie bei der althergebrachten Tradition des Erzählens wird einiges übertrieben, fantasiert oder weggelassen. Nesi macht Andeutungen, die im Index Erklärung finden und die Möglichkeit geben, sich mehr mit den Ereignissen zu befassen. Mit distanziertem Witz und Ironie beschreibt er die Historie und den Kampf um Unabhängigkeit. Dabei spart er die Grausamkeiten nicht aus. Der Roman lebt von der Lust des Formulierens und wurde von Sabine Müller aus dem Indonesischen übersetzt. Felix K. Nesi hat in seiner Heimat mit seinem Werk viel Anerkennung erhalten. Er beschäftigt sich mit der Ausnutzung und Versklavung von Menschen und setzt sich für Leseförderung ein.
Es beginnt mit dem Ende. Sergeant Ipi lädt ein. In der Polizeistation gibt es einen der drei Fernseher der Umgebung und alle möchten das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft sehen. Während der Übertragung verschaffen sich Killer Zutritt in ein Haus und die Geschichte beginnt. Der eigentliche Anfang liegt aber in der Vergangenheit. Timor eine gefragte Gewürzinsel weckte politische und wirtschaftliche Interessen. Timur wurde erst von den Portugiesen, dann von den Holländern besetzt. Die Insel wurde dann Anfang des 20. Jahrhunderts geteilt und nach dem Zweiten Weltkrieg von Japan besetzt. Jahre später wurde Timor nach blutigen und langen Kämpfen unabhängig. In diese Entwicklung wirft Nesi seine Helden hinein. Alles wirkt anfänglich maskulin und doch sind es die Frauen, die die Ereignisse vorantreiben. Wie am Anfang sind es die Männer, die zum Fußball strömen. Doch die wirklichen Geschehnisse beginnen bei den Frauen und Kindern.
Sergeant Ipi hat eine dramatische Familiengeschichte, die in Lissabon ihren Anfang nimmt. Die Nelkenrevolution hat alles verändert und Júlio Craveiro dos Santos sorgt sich um seine Zukunft. Doch er erhält eine Chance und wird nach Timor versendet. Mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter reisen sie an. Er ist bemüht, politisch nicht in Erscheinung zu treten, doch durch eine schicksalhafte Begegnung gerät er in die Unruhen und er und seine Frau werden im Angesicht ihrer Tochter ermordet. Diese kann, vergewaltigt und gefoltert, entkommen. Im Dorf Oetimu trifft sie auf Am Siki, um den sich Heldengeschichten ranken. Dieser nimmt sich ihrer an und sie bringt dort einen Sohn zu Welt, den späteren Sergeant Ipi. Viele weitere Ereignisse und Wendungen bereichern den Werdegang. Weitere Figuren beleben das Werk. Alles ist miteinander verwoben. Alles wird plastisch und mit Tiefgang oder durch distanzierten Humor betrachtet. Es sind schöne, kluge Frauen und skrupellose, ehrgeizige Männer. Die Bilder, die Nesi erzeugt, sind voller Realität und Magie. Das Lesen erzeugt eine Spannung, denn Nesi versteht es, das Drama durch Sprachwitz zu kaschieren und durch die Cliffhanger die Aufmerksamkeit kontinuierlich zu steigern.
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