Edvard Hoem: „Der Heumacher“

Ein Roman, der uns Bilder, Geschichten und Emotionen aus einer vergangenen Zeit sendet. Edvard Hoem ist ein wunderbarer Erzähler. Er gräbt in den Überlieferungen seiner Familie und Nesje, der Heumacher, war sein Urgroßvater. Vieles wurde über ihn in der Familie geredet, aber es war dennoch wenig bekannt. Somit muss Hoem ihn als Figur herbeidichten, aus der Luft schöpfen und aus dem Nichts langsam die Möglichkeiten aufleben lassen. Es ist dabei ein Romanzyklus entstanden, wobei jedes Buch für sich steht und apart gelesen werden kann. Der Heumacher ist Knut Hansen Nesje und er ist der Sohn von Marta Kristine, bekannt aus dem Roman „Die Hebamme“. Nesjes spätere Frau Serianna und ihre Familie kommen vom Bortehof. Das dortige Leben wird im Roman „Der Geigenbauer“ beschrieben.

Knut Hansen, genannt Nesje, ist Witwer und lebt mit seinem Sohn oberhalb der kleinen Stadt Molde an der norwegischen Küste, am Romsdalsfjord. Er ist das Landleben gewöhnt und kennt nichts anderes. Seit Jahren ist er der Heumacher und schwingt die Sense seit seiner Kindheit. Er hat für sich Grund gepachtet und hofft, dass er es eines Tages kaufen darf. Sein Land hat er bald urbar gemacht und möchte es seinem Sohn vermachen können. Neben der Tätigkeit auf dem gepachteten Land, ist er beim Großbauern eingestellt. Er bekommt etwas weniger Geld als die Tageslohnarbeiter, befindet sich dafür aber in fester Einstellung. Er ist der Erste unter den Heumachern. Er gibt stets auf dem Feld das Tempo vor und ist somit für die Qualität und die Fertigstellung verantwortlich. Er lebt unter einfachen Bedingungen, hat sich aber mit viel Aufwand und Liebe ein Haus gebaut. Es ist das Jahr 1874 und er trifft auf Serianna. Sie sucht Arbeit und bei einem gemeinsamen Fischfang und der baldigen Zusammenarbeit lernen die beiden sich besser kennen und verlieben sich. Hans, Nesjes Sohn aus erster Ehe, verlässt den Hof kurz vor seiner Konfirmation, um Platz zu machen. Denn Serianna und Nesje heiraten und erwarten bereits Nachwuchs. Hans geht auch, weil er keine neue Mutter möchte und nun seinen eigenen Weg gehen will. Die jüngere Schwägerin von Nesje, Gjertine, verliebt sich in jungen Jahren in Hans, doch wird sie später einen anderen Traum verfolgen. Sie ist die zweite Hauptfigur im Roman und liest bereits in Norwegen alles über Amerika.

Nesje, der durch Beharrlichkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit seinen Lebensweg beschreibt, beschließt dort zu bleiben. Viele sind damals ausgewandert, um der Armut zu entkommen. Doch Nesje kennt das harte Arbeitsleben und er und seine Frau versuchen, stets das Beste aus den Umständen zu machen. Doch vieles verändert sich kontinuierlich und der Fortschritt macht die Situation für den Heumacher immer schwieriger.

Seriannas jüngerer Schwester Gjertine möchte dem entbehrungsreichen Leben entkommen. Sie will nach Amerika auswandern und ist voller Zuversicht und Träume. Doch das Leben ist dort ebenfalls nicht leicht. Viele, die das Glück und den Wohlstand in Amerika suchten, haben meist nur das Land gewechselt, selten die Lebenssituation, die auch durch harten Lebenskampf und Mühseligkeit geprägt ist.

Eine berührende und schön erzählte Geschichte, die auf vielen Wahrheiten beruht. Es geht um Lebensträume und Wege. Die einen fügen sich und die anderen versuchen ihrem Schicksal zu entkommen. Beide Wege werden aber stets aktiv begangen und Hoem lässt durch seine Literatur die Charaktere und die damalige Zeit sehr lebendig werden. Fast sinnlich tauchen wir in diese Welten ein. In diesem Roman geht es um den Wunsch nach Halt, Liebe und die Sehnsucht nach Ferne und Hoffnung. Hier sind es besonders die Frauen, die die Anstöße geben und ihrer Abenteuerlust nachgeben. Ein sinnliches, spannendes und wunderbar geschriebenes Leseereignis. Aus dem Norwegischen von Antje Subey-Cramer übersetzt.

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Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Edvard Hoem: „Der Heumacher“

  1. Muss ich endlich lesen, aber von Hoem liegt auch noch sein Roman „Die Hebamme“ bei mir auf dem Stapel. Viele Grüße in den Norden

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