Florian L. Arnold: „Ichae“

Eine Legende um den Bau eines Staudamms wird zu einem Bilderrausch. Ein Buch, das verzaubert und Märchenhaftes mit der Realität vermischt. Durch die lyrische Sprache erklingt hier etwas Besonderes, etwas das uns in seinen Bann zieht. Bei der Lektüre werden Erinnerungen an Figuren aus anderen Werken wach. Sei es Papageno von Mozart oder Hor aus dem Labyrinth der surrealistischen Geschichtensammlung „Der Spiegel im Spiegel“ von Michael Ende. Das Labyrinth taucht auch am Staudamm auf, der wie eine Stadt erbaut wird. Hochhinaus wird Leben aufgebaut, wo kein Leben mehr ist. Ein Damm, der abgrenzt und fernhält, ist das Fundament, das hier erschaffen wird. Die Dammbauer sind Sträflinge. Die Handlung wurde inspiriert durch wahre Ereignisse um Staumauern, Dammbrüche und Gefangenenlager.

Erzählt wird aus einer Zukunft, in der vieles still geworden ist. Es ist ein Erinnern des Erzählers. Er kannte noch Zeiten als Vogelgesang und die Sonne reine Freude und Wärme bedeuteten. Durch eine Messerstecherei wurde er zum Sträfling und zum Bau an einem Staudamm verbannt. Die dortige Gemeinschaft besteht aus einem älteren Anführer, einem Sprengmeister, einem Ziegelklopfer und seiner Schwester. Dabei ist noch ein Vogelfänger. Alle leben unter einfachen Bedingungen und der Ältere muss oft bei den hitzigen Gemütern handeln. Ihr Leben ist gespalten, losgelöst von einer Vergangenheit. Die gedankliche und seelische Verbindung mit dem vorherigen Leben wirkt wie eine morsche Brücke. Die Strafarbeit lässt sie ermüden und nach getaner Arbeit suchen sie Erholung und Zusammenhalt. Sofern dies möglich ist. Der Erzähler will seine Gedanken ordnen und möchte, dass erinnert wird. Doch alles Erdachte und Erbaute zerfällt irgendwann. Er schreibt nicht auf, sagt es nur einmal und es wird wie ein Gedicht, das vergeht. Auch der Damm ist ein Bauwerk, das diesen Gesetzen unterliegt. Das Bild vom Halt und Trennenden wird Schauplatz für Ereignisse, aus dem der Vogelfänger Ichae den Ich-Erzähler öfters retten wird und am Ende kommt er, der abschließende Punkt.

Atemlos wird die Legende von Ichae erzählt, denn Unterbrechungen werden nur angedeutet, denn es gibt sprachlich nur Einschnitte und die Aussage, der einzige Punkt, wird am Ende gesetzt. Es ist ein Sprachkunstwerk, das Kommas als einziges, aber bewusstes Stilmittel einsetzt. Doch sind es keine Satzwürmer, sondern eine weitere Metapher für den Inhalt, die auch Erklärung findet. Die Geschichte benötigt Hinwendung, um gänzlich erfasst und gesehen zu werden. Das Sehen bekommt durch Bilder Unterstützung. Die Illustrationen stammen von Max P. Häring.

Ein Kunstwerk, das die Realität märchenhaft beschreibt. Es ist Poesie, die unsere Phantasie und Vorstellungskraft in den Mittelpunkt stellt, wenn die Menschlichkeit vor den modernen Entwicklungen verstummt und gerade die Technologien keine Antworten geben. Durch den kurzen Text entsteht eine ganze Welt, die ganz anders und doch die unsere ist.

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