Nils Westerboer: „Lyneham“

Endlich mal wieder eine kluge Weltflucht. Ein Science-Fiction Roman, der eine vielschichtige und spannende Handlung aufbaut. Der Autor versteht es, neben dem Erzählstrom viele Gedankenmuster loszubrechen, die durch die verwobene Handlung mehrere Dimensionen öffnen. Auch die Metaphorik wird durch den Lesefluss zu einem literarischen Bilderrausch.

Die Handlung spielt auf einem extrasolaren Mond, der als Trabant zu dem Planeten, den er umkreist, Lebensbedingungen erzeugen kann, die ein überleben möglich machen. Dafür ist Terraforming noch vorgesehen und notwendig. Der faszinierende Mond wird Perm genannt, nach der Periode jenes Erdaltertums vor 252 Millionen Jahren. Doch bevor die Handlung sich auf den Mond stürzt, erleben wir im Prolog einen Marshmallow-Test. Die zukünftige Wissenschaftlerin wird als Kind getestet. Wenn sie in einer gewissen Zeitspanne den Marshmallow nicht essen würde, bekäme sie einen weiteren. Doch was ist, wenn sie diese Süßspeise gar nicht mag und warum wissen dies ihre Eltern nicht? Hierbei zeigt sich, wie wichtig es ist, stets alle Fakten zu kennen, um die Gründe des Handelns zu verstehen.

Ihre Familie ist es, die das Abenteuer erlebt. Die Erde stirbt und die Menschen wandern aus. Am Raumhafen, kurz vor dem Einchecken, spricht die Mutter mit ihrem Mann und fliegt nicht mit. In den Stasiskammern eingelagert erreichen sie Perm und stürzen in die neue Welt. Henry Meadows hat Geburtstag und ist zwölf Jahre alt geworden. Seine Feier hat er sich anders vorgestellt und bei der Ankunft in der neuen Heimat werden alle sehr durchgerüttelt. Die Lebensumstände sind sehr bedrohlich. Die Luft lässt sich nicht atmen, alles wirkt toxisch und die Tierwelt verbreitet Angst und Schrecken. Die Tiere beherrschen zudem besondere Tarnvorrichtungen. Es gibt auf Perm Berge, deren Gipfel in den Kosmos ragen und sphärische Flüsse. Die Heimat ist somit noch nicht fertig. Irgendetwas scheint die Umwandlung verhindert zu haben. Der Alltag wird für Henry auch aus Schule bestehen und die Lehrkraft ist eine künstliche Intelligenz, die einst für Bohrungen zuständig war. Alles ist anders, feindlich und fremd. Wo ist die Mutter und wie lange waren sie überhaupt unterwegs?

Mildred Meadows war zurückgeblieben, um einen neuen Antrieb abzuwarten und ihre Familie zu überholen. Sie will für alle das Beste aus der neuen Welt herausholen. Was ist schiefgelaufen und warum ist die Mutter für ihre Familie nicht da, die sie sehnsüchtig erwartet. Es mehren sich die Zeichen, dass die Mutter schon da war, vor langer, langer Zeit und sie hat eine Warnung hinterlassen.

Dieser Science-Fiction ist ein gelungener Ritt durch Raum und Zeit. Die Ideen sind nicht nur kurze Anregungen für eine Weltraumhandlung, sondern der ganze Roman ist gehaltvoll und sehr spannend und toll erzählt. Dieser Flug geht schnell vorbei, schüttelt uns durch und hinterlässt einen Hohlraum in unserer Realität.

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2 Kommentare

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2 Antworten zu “Nils Westerboer: „Lyneham“

  1. Guten Morgen,

    ich muss gestehen, ich weiß nicht, wann oder ob ich überhaupt schon einmal einen Science-Fiction Roman gelesen habe. Aber was Du hier schreibst, klingt wirklich sehr spannend.

    Und das Cover ist irgendwie sehr einnehmend. Es erzählt so viel, hat Tiefe und Struktur.

    Liebe Grüße aus der Ferne,

    Barbara

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