Frank Göhre: „Sizilianische Nacht“

Wieder ein echter Göhre. Mit schnittigen Szenen verführt uns die Handlung nach Sizilien und das Abenteuer erhält seinen Höhepunkt in einer mediterranen, unheilvollen und fiebrigen Nacht. Die Grundlage für diesen Roman ist das Ende der Lebensgeschichte eines exzentrischen Dandys, Autors und Erfinders. Göhre nennt ihn Jean Paul Durand und er macht seine Geschichte zu seiner. Gemeint ist aber Raymond Roussel (1877 bis 1933) und mit diesem Kriminalroman findet das Geheimnis jener bis heute ominösen Nacht eine mögliche Erklärung.

Durand ist ein Schriftsteller, Weltreisender, Erfinder und Schachtheoretiker. Seine aufsehenerregendste Erfindung ist das Wohnmobil. Sein Dasein verdankt er einem riesigen Vermögen, das ihm seinen Lebensstil und seine Süchte finanziert. 1933 reist er von Paris nach Palermo. Begleitet wird er von seinem neuen Chauffeur und Aleksandra Wojcik, die lediglich Madame genannt wird. Er möchte nach Sizilien, weil er bei den Feierlichkeiten um die heilige Rosalia, der Schutzpatronin Palermos, dabei sein möchte. Es ist das Fest des Lebens und der Lebensfreude. Im Grand Hotel et Des Palmes quartiert er sich mit seinen Begleitern für eine längere Zeit ein. Seine Anwesenheit erzeugt eine ehrfurchtsvolle Stimmung bei dem Hotelbetreiber und dem Personal. Auch werden sogenannte ehrenvolle Freunde aus der Mafia auf ihn aufmerksam.

Das Hotel hat eine lange Geschichte und hat mit dem neuen Gast eine weitere zu erwarten. Durand ist launisch, krankhaft und tablettensüchtig. Diese führt er in rauen Mengen stets bei sich. Madame sorgt für sein Wohl und fährt zwischendurch zurück nach Paris, um beim Vermögensverwalter, Durands Neffen, Geld zu organisieren. Da die Summe sehr hoch ist, wird der Neffe misstrauisch und vertraut Madame nicht. Befolgt aber dennoch die Anweisungen, bittet aber den ehemaligen Chauffeur, Madam nachzureisen und diese im Auge zu behalten. Die Treffen mit den ehrenwerten Freunden lassen vermuten, dass höhere Kreise Interesse an der Erfindung des Hotelgastes haben. In Palermo wird das ausschweifende Fest der Heiligen gefeiert und die Faschisten demonstrieren ihre Macht. Es ist eine denkwürdige Nacht auf Sizilien. Es ist die letzte Nacht von Durand. Der Hotelpage findet ihn tot in seinem Zimmer. War es eine Überdosis? Was plante die Mafia, was die Madame und was ist mit dem verschwundenen Chauffeur? War es ein Versehen, ein Suizid oder steckt etwas ganz anderes hinter den Ereignissen? War es ein ausgeklügeltes Spiel, Willkür oder ein Unfall?

Ein Roman vor einer wahren Kulisse. Göhre schreibt erneut klug, kurzweilig und bildreich. Die Handlung befördert uns hinein in das gärende Palermo während vieler Machdemonstrationen, die die Welt erschütterten. Das Ableben eines Mannes, der vieles in der Kultur beeinflusste, wird hier spannend aufgegriffen und zu einem typischen Göhre umgewandelt. Er schreibt Bücher, die wahres Kopfkino beinhalten.   

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