
Ein kleines Meisterwerk, das posthum veröffentlicht wurde und sich mit den großen Themen der Autorin, Feinfühligkeit und Einsamkeit, befasst. Erneut ist es auch die Macht des Natürlichen, die beständig durch ihre Literatur glänzt. Ihr bekanntestes Werk ist „Frankenstein“ und beinhaltet auch wie „Mathilda“ die Suche und Sehnsucht nach Lebensenergie, Zuwendung und Liebe. Mary Shelly (1797 – 1851) schrieb Romane, Kurzgeschichten, Essays, Theaterstücke, Biographien und Lyrik. Sie gab ferner die Werke ihres verstorbenen Mannes, Percy Bysshe Shelley, heraus und war befreundet mit Lord Byron, aufgrund dessen Einladung am Genfer See sie die Idee zu Frankenstein entwarf. Wie im vorliegenden Werk geht sie der Frage der Monstrosität nach. Im Kleinen und Großen. Denn denken wir an Frankenstein, ist es meist nicht der Arzt und Wissenschaftler, sondern der moderne Prometheus, der uns in den Sinn kommt. Doch wer ist das gesellschaftliche Monster? „Mathilda“ wurde übersetzt von Stefan Weidle, der auch ein kurzes und wissenswertes Nachwort verfasste. Hier geht es um die Entstehung des Textes, warum dieser nicht zu Lebzeiten der Autorin erschien und wie weit dieser autobiografisch zu verstehen ist.
Mathilda schreibt 1819 in Florenz an ihren nahen Freund Woodville. Am Ende ihres Lebens sinniert sie über ihren Lebensweg, über ihr kurzes Glück und den Weg in den seelischen Schmerz. In ihrem Einstieg fällt der Name Ödipus und lässt bereits Vermutungen zu. Das Lebensglück war in jungen Jahren spürbar, doch zog es sich dann immer mehr von ihr zurück. Doch will sie nicht vorweggreifen, sie möchte dem treuen Freund alles genaustens erzählen und beginnt.
Ihr Vater verliebt sich und seine ausufernde Liebe wird erwidert. Das vermählte Paar bekommt kurz nach der Trauung ein Kind, Mathilda. Doch die Mutter stirbt kurz nach der Geburt und der Vater zieht sich in ein auferlegtes Exil, sozusagen auf weltweite Distanz, zurück. Mathilda wächst bei der herzlosen Tante in Schottland auf. Als sie sechzehn Jahre ist, meldet sich der Vater in London zurück. Mathilda ist voller Glück und wagt zu hoffen. Sie verbringen eine schöne Zeit. Voller Liebe und Zuwendung. Das Glück, dass aber greifbar wirkt, verrinnt. Die Liebe übersteigt das Normale und als sich ein junger Mann um Mathilda bemüht, kippt die Stimmung und Düsternis wirft sich über die Beziehungen. Erneut fliegt Mathilda in einen tiefen, seelischen Abgrund. Auf dem Weg dorthin und auf die darauffolgenden Verzweigungen schaut Mathilda, nun in Italien lebend, zurück.
Ein Werk voller Romantik und Schmerz. Sehr subtil wird hier das Innenleben seziert und das Bild von Familie, Beziehung und Bindung erhält Polaritäten aus kurzen Lichteinfällen, die aber erst durch die Dunkelheit auffällig werden. Diese Novelle hat einen Sprachklang und eine Intensität, die durch Handlung, Themen und Charakterisierungen eine eigenwillige Spannung aufbauen. In ihren Roman gibt es viele Anspielungen auf bedeutende Werke der Weltliteratur. „Mathilda“ zählt mit dieser Wiederbelebung auch dazu. Ein neu gehobener Klassiker.
Zum Buch in unserem Onlineshop
Weitere Lesetipps von mir und tolle Gäste auf YouTube: Leseschatz-TV