Malte Borsdorf: „Frau Schebesta räumt die Welt auf“

Frau Schebesta räumt die Welt auf. Sie tritt zumindest  in die Welt von Lou, die mit ihrer kindlichen Sicht alles beobachtet und erzählt. Lou ist eigenwillig und hat eine lebendige Phantasie. Sie gibt den Menschen in ihrem Umfeld je nach Stimmung andere Namen. Ihr Vater, der eigentlich Torsten heißt, ist für sie meist Trotzki. Mit Frau Schebesta tritt eine Bombenentschärferin auf und bringt Aufregung in das kleine Dorfleben in der Nähe von Kiel.

Eine Bombenentschärferin als namensgebende Romanfigur ist etwas Besonderes. Durch diese Tätigkeit kann ein ungewöhnlicher und beeindruckender Blick auf die Altlasten und das Trauma eines jeden Krieges geworfen werden. Auch durch die verschiedenen Generationen und Herkunftsländer der Charaktere werden unterschiedliche Perspektiven angedeutet und vertieft. Trotz der grundlegenden und schwerwiegenden Idee, hat das Buch etwas enorm Leichtes und Verspieltes, da es Lou ist, die durch ihre junge Sichtweise uns zu begeistern versteht.

Lou lebt, seit ihre Mutter weggegangen ist, mit ihrem Vater bei Oma Gitte. Ihr Vater arbeitet für ein Bestattungsinstitut. Sie leben in Flint, einem Dorf nahe Kiel. Jeder Kieler wird sehr schnell die Ähnlichkeit und den Bezug zu Flintbek herstellen können. Für Jugendliche gibt es hier wenig zu erleben. Tjomka ist mit seiner Familie aus Tschetschenien gekommen und ein guter Freund für Lou. Auch Tjomka erhält je nach Umfeld und Stimmung unterschiedliche Namen. Oft ist er Artjom, der, wenn er mit anderen Jungs zusammen ist, gerne auch mit Böllern oder Ähnlichem spielt. Dann ist es Lou, die sich schnell aus der Szenerie herauszieht und nach Hause geht. Beide fühlen sich verantwortlich für einen streunenden Hund und gehen zusammen zur Schule. Dort stellen die Eltern oder andere Erwachsene gerade ihre unterschiedlichen Berufe vor. Dadurch lernen sie Frau Schebesta kennen. Oma Gitte meint, Frau Schebesta sei gut, sie räume auf und mache die Welt besser. Lou ist nun interessiert und möchte mehr über den Kampfmittelräumdienst erfahren. Frau Schebesta will Lou und Artjom ihren Beruf zeigen und bietet ihnen ein Praktikum an. Kiel und die umliegenden Dörfer waren im Krieg eine besondere Einflugschneise der Luftflotte. Die Kinder sind neugierig, nur Oma Gitte findet das Praktikum gefährlich und wird an die damalige Zeit erinnert. Somit wird die Handlung getragen durch die Altlasten des Zweiten Weltkriegs, die gegenwärtigen Krisen und Kriege. Dies wird durch die unterschiedlichen Perspektiven verdeutlicht und tatsächlich muss dann auch eine Bombe entschärft werden und es knallt und nichts ist mehr so, wie es war.

Ein besonderes und kleines Werk, das durch die Zeilen eine Schallwelle in uns verbreitet und dadurch sehr bewegt. Auffallend sind die Charaktere, die jeweils ihren eigenen Charme haben und länger in guter Erinnerung bleiben werden. Eine ungewöhnliche Sichtweise auf das wieder aktuelle Weltgeschehen.

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