
In diesem Debütroman verbinden sich mehrere Aspekte. Es zeigt sich in „Vermissen auf Japanisch“ eine generationenübergreifende und länder- sowie kulturumspannende Verbundenheit. Durch einen Verlust zeigt sich die Menschlichkeit innerhalb der Familien, deren Mitglieder eine eingerissene Lücke zu füllen versuchen.
Yukiko Tominaga geht das Thema des Verlustes anders an und verlässt die herkömmlichen Pfade. Sie gibt dem Schmerz seinen Raum, füllt diesen aber mit den agierenden Figuren mit viel Humor und Liebe. In der Reduktion und Stille, die der Text erzeugt, liegt seine Stärke. Subtil und spielerisch werden die Bindungen von Mutter zu Kind, Frau und Ehemann, Witwe und Stiefmutter humorvoll und liebevoll beschrieben.
Kyoko lebt in San Francisco mit ihrem Sohn Alex. Sie ist voller Trauer und Wut und möchte doch für ihren Sohn eine gute Mutter sein. Sie wurde alleingelassen. Aber nicht mutwillig oder aus fremden Bestreben. Sie hat ihren Mann überraschend verloren. Ihre eigene Familie lebt weit entfernt in Tokio. Als sie diese besuchte passierte es. Levi, ihr Ehemann, reparierte das Auto. Als er unter dem Wagen war, der auf einer Hebebühne stand, fiel dieser tödlich auf ihn herab. Die Trauer und das Vermissen beherrschen die Szenerie. Auch die Lebensfreude, die sie ihrem Sohn vorspielen möchte, gelingt kaum. Aber Alex, ihr Sohn, gibt ihr Mut und Kraft. Dennoch bleibt in Kyoko eine innere Leere. Kann sie diese bei ihrer Familie in Japan füllen oder bei der Wahlfamilie in den USA? Emotionen und Mitgefühl sind eng mit der Sprache verbunden. Doch gibt es im Japanischen keine wörtliche Übertragung von „Ich vermisse dich“. Vermissen bedeutet nicht zwingend Einsamkeit. Daher ist hier die anwendbare Sprache spezifisch und bleibt doch vage. Dieser Sprachgebrauch steht am Anfang des Romans und deutet den Versuch an, mit der kommenden Handlung diese Lücke kulturell, psychologisch und philosophisch zu beleben. Die Einsamkeit und die Wut werden menschlich spürbar. Kyoko versucht, sich und die Firma ihres Mannes wieder aufzurichten. Doch fühlt sie sich einsam und verlassen. Die Entfremdung mit der alten Heimat und der fehlenden zwischenmenschlichen Intimität machen ihr zu schaffen. Halt gibt ihr die Schwiegermutter Bubbe, die um ihren Sohn trauert, aber Kyoko neuen Lebensmut und Liebe schenken möchte. Bubbe ist eine jüdische und herzensgute Frau mit viel Lebenserfahrung und Mitgefühl, die an der amerikanischen Ostküste lebt. Somit spielt der Text mit Nähe und Ferne. Es geht dabei auch mehr um die entstehende Kraft, die Menschen, die für einen da sind und aufbauen können, durch Schweigen, Zuhören oder Handeln. Die Lebensroutine, sofern es überhaupt eine gibt, wird durch den plötzlichen Verlust und dann durch die Mitmenschen durcheinander gebracht. Letztendlich muss jeder sein Leben dann selbst neu definieren und finden, ist dabei aber niemals allein. Diesen Mut und Zuversicht macht das Buch. Das Werk verbindet Kulturen und Gefühle. Dabei spielt die Autorin mit Ernsthaftigkeit und Humor. Es geht um Entfremdung und Versöhnung mit den Menschen und mit den Lebenssituationen.
Die Autorin wurde in Japan geboren, lebt seit vielen Jahren in den USA. Dies ist ihr Debütroman, der aus dem amerikanischen Englisch von Juliana Zaubitzer übersetzt wurde.
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