
Das Buch offenbart sich auf den zweiten Blick. Der Titel suggeriert ein wohliges Schlemmen und die Buchgestaltung erinnert an das Gemälde von Johannes Vermeer. Doch beim genauen Hinsehen und Lesen zeigt sich, dass sich hier alles verschiebt. Die Geschichten sind verrückt, denn sie spielen mit der verzerrten und verschobenen Realität. Es sind elf Erzählungen, die in unserer Welt und außerhalb der Welt spielen. Sie sind absurd, groß, einfallsreich, körperlich und oft dystopisch. Die kroatische Autorin Asja Bakić spielt mit ihren Themen, mit uns als Lesende und dem Genre. Nichts bleibt, wie es ist und sie zeigt uns absurde und verstörende Welten, die immer mehr zu unserer werden. Der Blick in das Bizarre wird ein Blick zurück auf unsere Realitäten. Die Autorin zeigt sich dabei sehr verführerisch und einfallsreich. Die Geschichten sind gruselig, bedenklich, grotesk, erotisch und befremdlich. Doch wird der Spaß dabei nie genommen. Das Verspielte der einzelnen Geschichten spannt einen verzaubernden Bogen um das ganze Werk.
Es sind die Frauen, die alle Szenerien beherrschen. Es gibt zum Beispiel eine Erzählung, in der die männliche Erdbevölkerung an Syphilis verstorben ist und die Befriedigung lediglich durch die künstliche Intelligenz erzeugt wird. Die Männer sind weg und doch fehlen sie irgendwie, aber zum Glück gibt es die digitalen Möglichkeiten. Eine Autorin bekommt ein Stipendium auf einer Raumstation und ist angehalten viele Werbeslogans zu erzeugen. Das Göttliche taucht ebenfalls auf, zumindest die alten Griechen und später auch die Mystischen, die einer Blinden verhelfen, das Sehen zurückzuerlangen. Die Sprache und die Inhalte sind sehr körperlich, denn es öffnet sich zum Beispiel ein Männergraben, der eine surreale Heimkehr und Entfremdung von der Familie erzeugt. Ein Ferienlager bekommt durch ein Gewässer getrennt eine gespiegelte Wahrheit und die Menstruation sowie die Machtgier der Männlichkeit verwandeln die Ferienzeit in ein Horrorszenario. Eine Zeitmaschine wurde gefertigt und eine Frau konnte die letzte und wichtige Berechnung fertigstellen. Doch nutzt sie ihr Wissen nicht, um wie geplant zu landen. Denn eigentlich sollte eine Zeit gewählt werden, um die Umweltzerstörung zu verhindern, doch gab es bestimmt sonnigere Reiseziele. Die Perspektiven sind wie die jeweiligen Geschichten sehr unterschiedlich und wandelbar. Die Literaturgeschichte könnte auch durch die letzte Stimme im Buch neu durchdacht werden. Denn hier schreibt Lotte über den dummen Werther und was dachte, erlebte und machte sie in Wirklichkeit?
Diese Geschichten sind feministische Anarchie als Literatur. Der Sog und die Ideenvielfalt des ganzen Werkes begeistern. Es zeigt, dass wir uns gegenwärtig auf nichts verlasen sollten, auch auf die Identitäten nicht. Alles kann mit einem kleinen Windhauch ins Absurde, Witzige und Verstörende rutschen. Fast alle Erzählungen tun es und machen dabei viel Spaß. Aus dem Kroatischen von Alida Bremer übersetzt.
Zum Buch in unserem Onlineshop
Weitere Lesetipps von mir und tolle Gäste auf YouTube: Leseschatz-TV