
Ayelet Gundar-Goshen verwandelt erneut innere Konflikte in äußere. Ihre vorherigen Werke, zum Beispiel „Löwen wecken“ oder „Wo der Wolf lauert“ waren Romane voller Psychologie und Schuldfragen. Es sind Situationen, die in Unachtsamkeit oder in der Abgrenzung wurzeln und in Verstrickungen aus Lügen, Scham, Rache oder Selbstschutz ausufern.
„Ungebetene Gäste“ spielt mit gesellschaftlichen Bildern aus unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Ansichten. Dabei entsteht ein Psychodrama um Verantwortung, Mitgefühl und Gerechtigkeit. Ayelet Gundar-Goshen schaut in unsere menschlichen Abgründe und inszeniert diese literarisch-cineastisch. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama übersetzt.
Es beginnt in Tel Aviv. Naomis Mann, Juval, hat einen Handwerker beauftragt, die Balkonbalustrade auszubessern. Naomi ist nicht begeistert, als dieser, ein Araber, bei ihr in der Wohnung auftaucht. Sie versucht ihren einjährigen Sohn Uri von dem Arbeiter fernzuhalten. Doch ist dieser freundlich und weckt das Interesse des Kleinkindes. Die Anwesenheit des Fremden lässt Naomis Vorurteile wachsen und sie fühlt sich nicht sicher. Als der Handwerker die Toilette benutzt und sie kurz abgelenkt ist, weil sie Kaffee kocht, passiert das Unglück. Uri ist auf den Balkon gekrabbelt und hat aus Versehen einen Hammer zu Fall gebracht. Dieser tötet auf der Straße einen jungen Mann und die Aufregung ist groß. Naomi handelt schnell, nimmt Uri an sich und geht zurück in die Küche. Somit fällt später nicht der Verdacht auf die israelische Familie, sondern gleich auf den arabischen Arbeiter, der sofort als Terrorist verhaftet wird.
Avram arbeitet bei dem Händler Stas, der ihn nicht nur im Laden als Aushilfe beschäftigt, sondern vorrangig für die anstehende Wahl, Plakate hängen lässt. Dies meist zu dunkler Stunde. Es sind die Unruhen und die aufgewühlte Stimmung, die jeden Tag spürbarer werden. Stas hat einen Sohn, einen Teenager, der das Opfer des herabstürzenden Hammers wird. Somit keimen in Stas Rachegedanken und Avram wird in seine Welt immer mehr hineingerissen.
Naomi ist weiterhin in Schockstarre und agiert wie gelähmt. Aus Angst und zum Schutz ihrer Familie. Die Schuldgefühle sind da, aber sie versucht diese stets zu verdrängen. Der inhaftierte Handwerker hat ebenfalls eine Familie und sein Sohn war mit ihm zum Mittagslunch verabredet. Und als dieser in einer peinlichen Situation in die Wohnung von Juval und Naomi kommt, um seinen Vater abzuholen, verstricken sich die Familienwege. Es ist aber nur Naomi, die die ganze Wahrheit kennt und diese auch lange verschweigt. Als sie mit ihrer Familie von Tel Aviv nach Lagos zieht, wird das Netz aus den Verstrickungen nicht gelöst, sondern nur weiter gedehnt und enormer Spannung ausgesetzt.
In diesem spannenden Roman prallt viel aufeinander und alles keimt in den Vorurteilen, den inneren Blockaden und Ängsten. Das Spiel zwischen Menschlichkeit, Unmenschlichkeit, Stadt, Land und Wahrheit und Lügen wird durch die Autorin gut ausbalanciert.
Zum Buch in unserem Onlineshop
Weitere Lesetipps von mir und tolle Gäste auf YouTube: Leseschatz-TV