Sophie Morton-Thomas: „Das Nest“

In diesem Roman wird das Unbehagliche und Unheimliche immer spürbarer und doch ist beides nicht fassbar. Ein Noir-Krimi, der mit der brüchigen Welt spielt, die wir uns selbst erschaffen. Es geht um das Erschaffen von Heimat und um die Ängste vor dem Fremden und Unbekannten. Der Nestbau suggeriert eine Heimat, die aber ungefestigt eine Freiheit und gleichzeitig eine Ungewissheit in sich birgt.

Durch den Sprachsound und die erzeugten Bilder tauchen wir ein in die Welt der mobilen Wohngemeinschaften an der englischen Küste. Mit der ersten Begehung des Campingplatzes dreht man bereits eine Runde durch das Setting, die Charaktere, die Stimmung und die kommenden Dramen. Etwas Bedrohliches weht durch die Szenerie, das aber nicht gleich zu erkennen ist und doch ist die Spannung sofort da. Die Missgunst und die Ängste vor den Anderen werden durch wachsame Wohnwagenfenster aufgesogen. Alles ist brüchig dort, wo der Mensch auftritt, der seine Bodenhaftung gerne mit der Freiheit tauschen würde, die er stets neidvoll im beobachteten Vogelflug nachzuspüren versucht.

Es sind zwei Perspektiven, die uns die Geschichte erzählen. Fran und Tad. Fran lebt ein zurückgezogenes Leben an der englischen Küste. Sie betreibt eine Wohnwagensiedlung für Urlauber oder Gestrandete. Sie kümmert sich um ihren Sohn und sorgt sich um die Familie ihrer Schwester, die in einem der Mobilheime lebt. Ihr Mann ist oft beruflich weg und Fran kümmert sich um alle Belange. Als Ausgleich liebt sie es, Vögel zu beobachten. Tad gehört zu einer Gruppe Roma, die ihr bisheriges Lager verlassen. Etwas scheint vorgefallen zu sein, dass sie weiterziehen lässt. Sie errichten das Lager neben der Wohnwagensiedlung von Fran. Es ist noch Winter und die besonderen Vögel, auf die Fran wartet, bleiben noch aus. Doch dann wird eines der Nester gefunden. An einer ganz anderen Stelle, als vermutet. Auch die eigene Häuslichkeit gerät in Schieflage, denn die Ferien enden und Bruno, Frans Sohn, muß wieder zur Schule. Er hängt sehr an Sadie, der Tochter von Ros, Frans Schwester. Diese hat wohl einen bleibenden und nicht immer guten Einfluss auf den Jungen. In der Schule gab es einen Wechsel, die eigentliche Lehrerin ist im Schwangerschaftsurlaub und wird von einer neuen Lehrkraft vertreten. Diese wird von allen misstrauisch im Alltag aufgenommen. Besonders Sadie gerät in Schwierigkeiten und es kommt zu ernsteren Gesprächen. Doch dann ist plötzlich diese Lehrerin verschwunden. Alles gerät in Aufruhr. Hat Ellis, Frans Schwager, etwas damit zu tun? Welche Rolle spielen die Roma dabei? Dann werden tote Vögel gefunden, die nicht eines natürlichen Todes gestorben sind und die Leiche der Lehrerin. Welche Geschichten verbergen sich hinter den Schicksalen und den Ereignissen. Was wissen die gestrandeten Menschen und letztendlich die Kinder, Sadie und Bruno?

Dieser Roman wird für uns beim Lesen zu einem Nest. Mit den ersten Sätzen ist man dem Buch verfallen und möchte es ungern wieder verlassen, wobei wir die Auflösung wiederum nicht schnell genug erfahren möchten. Aus dem Englischen von Lea Dunkel.

Vielen Dank, dass ein Auszug dieser Besprechung auf dem Umschlag des Buches abgedruckt wurde.

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