Mirko Bonné: „Wege durch die Spiegel“

Die Bücher von Mirko Bonné sind immer ein Refugium und er zählt zu den bedeutendsten Stimmen der Gegenwartsliteratur, zumindest hier im Leseschatz. Mirko Bonné schreibt Lyrik und Romane und versteht es, seine Gedanken und Emotionen in Wortbildern einzufangen. Diese Gedanken und besonders die durch den Sprachklang eingefangenen Emotionen ergreifen uns beim Inhalieren der Zeilen. Es ist eine Lyrik, die uns fesselt, nachsinnen lässt und zu einer konstanten Wiederkehr einlädt. Die Gedichte sind zugänglich und verschließen sich nicht, sondern erzeugen eine Begeisterung, die dann vereinzelt wie unbemerkte Insektenstiche nachwirken. Aber dies im positiven Sinne, denn Lyrik erzeugt einen Nachklang, wie eine Erinnerung, um die es bei diesen Gedichten zuweilen auch geht.

Lyrik ist eine hohe Kunst der Literatur, denn sie verinnerlicht Gefühle und Gedanken. Dabei benutzt sie die Form, den Klang und die Reduktion, um das Wesentliche freizusetzen. Wie ein Bildhauer, der das eigentliche Werk aus dem Material befreien muss. Mirko Bonné überrascht stets und seine Sprache ist sinnlich. In seinen Romanen und seine Texten schwebt oft eine schöne Melancholie, die durch eine Heiterkeit getragen wird. Wir streifen mit ihm durch seine Gedanken, Geschichten und begleiten ihn auf seinen Spaziergängen, die durch Landschaften verlaufen oder in imaginäre Welten abzweigen. Er gibt der Stille einen Raum und seine Lieder, Balladen und Kurzgedichte berühren durch den erzeugten Resonanzraum. Dadurch wird das Persönliche, das er als Autor fixiert, bearbeitet und als Buch abgegeben hat, nun zu unseren persönlichen Texten. Der Weg durch den Spiegel muss auch stets am Ego vorbei, durch die Spiegelfläche und sich auslösend in der Umkehr wiederfinden.

Die Streifzüge durch die Landschaften und durch das Leben in dieser Lyrik haben etwas Bleibendes und entkräften die Vergänglichkeit. Mirko Bonné spürt nach, schaut genau hin und erzählt durch Verse und hält Momente fest, die Spuren hinterlassen. Aber welche Spuren bleiben von uns und welche Spuren hinterlässt die Geschichte in uns? Wir wandeln mit der Gedichtsammlung durch stets wiederkehrende Kurznachrichten aus der Unterwelt, zu Skorpionen, durch den Spiegel und drehen uns gegen den Uhrzeigersinn. Mirko Bonné ist Autor, Lyriker und Leser und somit verneigt er sich in seinen Zeilen vor vorgelebten Größen. Er betreibt Erinnerungsarbeit. Er benennt Kindheit und Geschichtsaufarbeitung oder die Verdrängung des vermeintlich abgelegten Schreckens. Das Positive im Leben ist dennoch stets ganz nahe. Manchmal ist es nur ein kurzer Moment, ein Blick, der wie ein Riss im Alltäglichen aufblitzt. So lebt auch diese Lyrik, die nicht schweigt, auch in der Stille und den Lücken. Alles ist bei Mirko Bonné bedeutungsvoll und doch nicht hochtrabend, sondern durch Schönheit zugänglich. Eine Dichtung, wie es im „Lied aus Allem“ heißt, die sich zurückzieht, tarnt, versteckt und sich aus dem Hinterhalt, aus Widerstand und Hoffnung zusammensetzt. Guter Lyrik entgeht nichts. Es liegt an uns, diese in uns zum Singen zu bringen. Dabei sind kleinste Betrachtungen, wie die von einem Insekt, hilfreich, das jene Poren erklimmt, die wir übersehen.

Es sind Wanderungen durch Landschaften und Gedankenspaziergänge. Lichtvolle Momente, die oft frankophil sind. Alle Texte verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk und wollen einzeln oder im Ganzen öfters aufgesucht werden. Ein wunderbares Spiegelportal aus Sprache und Kunst.

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