
Es sind diese Momente, die wir verinnerlichen, die in sich die absolute Freiheit versprechen. Der erste Tag vor den Ferien oder jener Moment, vor dem wir stehen, wenn ein Wechsel bevorsteht oder eine Lebenssituation sich verändert, die mit voller Emotion und Lebensenergie beladen ist.
Guillaume Nail erzählt von diesen Momenten, die voller Kraft, Hoffnung und Unsicherheiten sind. Jene, die gefühlt alles beinhalten, aber uns auch alles nehmen können. In der Jugend steht uns gefühlt die Welt offen und alles ist möglich. Doch je weiter die Lebensenergie strömt, desto mehr wird uns diese Lebenskraft genommen. Es ist ein großartiger und feinfühliger Roman, der mit der puren Lebensfreude beginnt und dann einen Spannungsbogen aufbaut, der durch den Perspektivenwechsel ein Abenteuer über unsere persönlichen Grenzen aufzeigt. Grenzen, die durch uns, durch das Lebensumfeld und die äußeren Einflüsse gesetzt werden.
Es ist ein heißer Sommer in Frankreich. Es ist der letzte Augustnachmittag im Feriencamp. Es sind die letzten Momente in der Unbestimmtheit, in der wilden Selbstbestimmung der Jugend. Die Grenze zum Alltag rückt näher und ein letztes Aufbäumen vor dem Reglement ist das süße Versprechen der Freiheit. Ein Ausflug, ein Picknick an der Loire ist geplant. Mit der Gruppe und dem Bus geht es los. Doch vor dem eigentlichen Ziel kommt es zum Stopp. Die jugendliche Meute voller unbändiger Kraft, toleriert von den Erziehungsberechtigten, aber doch auch mit maßvollen Augen beobachtet, möchte etwas erleben. Jeder weiß, in der Loire geht man nicht baden. Wie ein mahnendes Sprichwort wird dies mahnend im Sprachgebrauch benutzt. Doch der Übermut und die äußere und innerliche Hitze verlangen das abkühlende Nass. In der Jugend verbirgt sich die Unsterblichkeit. Doch je mehr wir uns von der Jugendhaftigkeit entfernen, desto mehr gewinnen die äußeren Einflüsse. Freundschaft, unbändige Lebenskraft und die Einwirkung des Unbestimmten und des Umfeldes verändern unser Leben. Leben und Tod ist ein kindliches Spiel, ein Klang, der mit dem rotierenden Alltag immer an Bedeutung zunimmt.
Durch das Wechselspiel der Perspektiven ist diese Lektüre ein Lebensrausch, der fesselt. Ein Roman, der klug und wirklich gut geschrieben ist. Die Übersetzung aus dem Französischen stammt von Paul Sourzac. Der Autor hat vor und hinter der Kamera gestanden. Er ist Drehbuchautor und hat Kinder- und Jugendbücher geschrieben. „Man badet nicht in der Loire“ ist sein Debüt in der belletristischen Literatur. Der Roman ist sehr sinnlich und cineastisch komponiert. In zügigen Szenenwechseln erfassen wir die unbändigen Kräfte des Lebens.
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