Jina Khayyer: „Im Herzen der Katze“

Dieses Buch belegt, warum Literatur so wichtig und großartig ist. Literatur geht weiter als jedes Sachbuch. Es verbindet Geschichte mit Emotionen und durch die Empathie verbinden wir uns mit den Ereignissen sowie Charakteren und ein emotionales Wissen und Weltverständnis bleibt in uns haften.

„Im Herzen der Katze“, weil Iran als geographische Kontur dem Bild einer Katze ähnelt. Aber auch, weil die Katze der Legende nach mehrere Leben haben soll. Es gibt mehrere Leben, die wir durch diese Lektüre erfahren. Das ganz intime, persönliche und das öffentliche.  Jenes, das hinter den Augen der Öffentlichkeit und den gesellschaftlichen Mauern gelebt und erlebt wird und jenes, was vor jenen Grenzen gelebt wird und erlaubt ist. Die geringen Freiheiten, besonders jene der Frauen, sind es, die sich hierbei auf eine unterschwellige Resignation oder Wut hinbewegen. Eine Willkür und Unterdrückung, die das kulturelle und genussvolle Leben unmöglich macht. Besonders das Leben der Frau wird dabei erschwert.  Mit einer literarischen und poetischen Intensität beschreibt der autofiktional anrührende Roman eine Familien- und Liebesgeschichte. Es geht dabei um Identität und um die Vorstellung von Zugehörigkeit und das Frausein wird mit voller Empathie und Emotion auf kluge Weise beleuchtet. Dies wird im Hinblick auf unterschiedliche Kulturen und  Nationalitäten beschrieben und immer ist es der Blick auf die allgemeine und persönliche Freiheit.

Anhand mehrerer Generationen iranischer Frauen beschreibt die Autorin die Geschichte von Exil, Unterdrückung, Freiheit und Emanzipation. Ein sinnlicher und kräftiger Roman, der so viel Wahres beschreibt, dass er uns sehr berührt und nachwirken wird.

Jina lebt in Frankreich. Es ist abends, als der Roman beginnt. Sie schaut sich die stets aktualisierenden Bilder und Beiträge auf Instagram an.  Die kurdische Iranerin Jina Mahsa Amini wurde von der iranischen Sittenpolizei ermordet. Die Sittenpolizei hielt sie zuvor an, angeblich wegen „unislamischer Kleidung“ und die spätere Todesursache ist auf die Polizeigewalt zurückzuführen. Diese Nachrichten rufen im Iran große Empörung wegen der täglichen Gewalt gegen Frauen und Minderheiten aus. Der Protest wird lauter und geht auf die Straße. Mädchen und Frauen, die zum Beispiel ihre Haare unverdeckt lassen, demonstrieren. Darunter auch die Schwester der Erzählerin, die mit der Verstorbenen den Vornamen teilt. Sie versucht durch die auf sie einfließenden Bilder das Gegenwärtige zu fassen und beginnt sich zu erinnern. Eine Reise in die Vergangenheit beginnt. Die jetzigen Ereignisse lassen sie an ihre damalige Reise in den Iran erinnern. Ihre Anreise und der Aufenthalt zeigen bereits die unterschiedlichen Lebensweisen. Jene, die verlangt und gezeigt wird und jene, die im Verborgenen einfach gelebt wird. Auch die Personen, die jene Gesetze aussprechen, nehmen sich persönlich viele Freiheiten heraus. Es sind die Begegnungen und das Zwischenmenschliche, die dieses Buch sehr lebendig werden lassen. Im Mittelpunkt steht der Besuch bei der Familie, die Gastfreundschaft der Menschen. Menschen, die heimlich feiern, die auf die Geschlechtertrennung zu achten haben, aber  dann alles Tanten und Cousinen werden, damit die Enge und Nähe selbstverständlich wird. Auch die Reise im Sammeltaxi unterliegt ganz eigenen Gesetzen. Dieser Roman ist eine tolle Reise in das Land, zu den Menschen und der laute Ruf nach Gleichheit und Freiheit. Als Auftakt sind es die Proteste, die zu Lebensveränderungen führten, die aus dem individuellen Ruf einen lauten Klang auf die Straßen trugen.

„Im Herzen der Katze“ erinnert an die Werke von Nassir Djafari oder Rasha Khayat. Ein intensives und spürbares Buch, das auch den Lebenswitz mit einbezieht. Ein sinnlicher Roman, der Mut zeigt und viele Gedankenprozesse anregt. Unbedingt lesenswert ist dieser Ruf und Kampf um die Freiheit. 

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