Janin Wölke: „Unendlicher Move“

Die Autorin schaut tief und lässt sich treiben. Sie schreibt eine Alltagslyrik, die versucht zu verstehen. Sie meint, wir müssen nicht mitkommen, aber lädt uns dennoch herzlich ein. Sie beginnt zu schreiben, zu reflektieren und ihre Gedanken, die nicht aufhören, fließen aus hier heraus und ihre Worte werden ein Gedicht, ein Langgedicht. Die Gedanken sind introvertiert und greifen nach der Wahrnehmung im Außen. Ihre Poesie gibt ihr und uns ein Zuhause. Es sind Betrachtungen der Familie und der Natur. Ameisen und Menschen wandern durch ihr Blickfeld. Durch diese Lyrik entsteht eine Intimität, die sich dem Alltäglichen nicht enthebt, sondern genau aus diesem geboren ist. Die Erzählerin ist Mutter, Frau, Partnerin, Freundin, Schriftstellerin, und Schwester. Alle diese Rollen werden gefüllt und erfüllt. Die Beobachtungen mäandern mit der individuellen Wahrnehmung durch Kopf und Herz und offenbaren dabei eine Ehrlichkeit und Widersprüchlichkeit, die unser Menschsein ausmacht. Sie ist Leserin von Laurie Penny und somit beschäftigt sich Janin Wölke in ihren Texten und lyrischen Werken mit der Frage nach Identität, Sozialisation und den Geschlechterrollen.

Die Erzählstimme wirkt wie eine Linse, ein Objektiv, die alles reflektiert und das eingefangene Umfeld auf ihre eigene Leinwand der persönlichen Weltsicht projiziert. Dabei entsteht ein Langgedicht wie eine Collage aus diversen Eindrücken und Einflüssen. Dabei spielt sie mit Kindlichkeit, Popkultur und dem Rauschen aus der Medienwelt. Kinderfragen, weiterführende Fragen und Antworten tauchen auf, die den Klang und die Sprache wechseln. Immer wieder bricht die Natur ein, eine Natur, die wie wir, sich in einem unendlichen Move befindet.

Ein erneuter Beleg, dass wir mehr Lyrik in unser Leben einladen sollten. Lyrik, die sich nicht verschließt, die durch die sprachliche Reduktion in uns nachklingt und wirkt. Durch Lyrik bekommen wir ein Gerüst geschenkt, das fremde Gedanken und Emotionen in uns verankert und in unseren eigenen Song umwandelt. Die lyrische Erzählstimme erzählt uns alles, was sie umtreibt, als Mutter, als Autorin, Tochter, Schwester, Ehefrau, Freundin und Lehrerin. Das ganze Leben kann Poesie sein und ist stets umfassend. Lyrik ist somit ihr Sprachrohr, das durch die Verse einen Gedankenraum zulässt, der eine Bindung zu uns sucht.

Janin Wölke verbindet Kafka und Bowie, Kunst mit Pop, Alltag mit Weltgeschehen. Also möchte ich hiermit erneut an meinen beständigen Aufruf erinnern: Mehr Lyrik wagen!

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