Vea Kaiser: „Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels“

Nicht nur dem Titel nach, meistert Vea Kaiser ihre Geschichten. Seit ihrem Debütroman „Blasmusikpop“ ist sie im Leseschatz und in der Buchwelt eine konstante Größe. Vea Kaiser schreibt mit sehr viel Liebe, Witz, Sprachverständnis und mit sehr viel Hingabe zu ihren Figuren. Es sind immer die eigenwilligen Protagonisten, die den Romanen viel Leben schenken. Ich habe sie seit ihrem Debüt gerne mit der weiblichen und europäischen Antwort auf John Irving tituliert und erneut konnte sie diese fesche Behauptung kräftig belegen. Das Wortspiel im Titel lässt es erahnen, denn Vea Kaiser hinterlässt keine unbeschriebenen Blätter, sondern prägt die Charaktere und Geschichten mit Inhalten, die Spaß machen, Stimmungen erzeugen, zum Schmunzeln und zum Denken anregen. Wer von der literarischen Welt der Kaiserin bisher nicht süchtig wurde, wird es wohl spätestens jetzt werden.

„Fabula Rasa“ handelt von einer Frau, die aus einfachen Verhältnissen kommt und für sich und ihren Sohn die Geschicke selbst in die Hand nehmen muss. Vea Kaiser schreibt einen Roman, der aber auf einem wahren Fundament gebaut wurde. Die Heldin, Angelika Moser, macht Schlagzeilen als Hotelbuchhalterin, die ihrem Arbeitgeber über Jahre hinweg Millionen von Euro gestohlen hat. Der Prolog erzählt von den persönlichen Besuchen im Gefängnis. Es folgen zehn weitere, die als „Unterhaltung in der Josefstadt“  die Handlung und den jeweiligen Akt, die Hauptabschnitte des Romans, bereichern.

Die Mutter von Angelika Moser ist Hausbesorgerin, also Hausmeisterin eines Wohnkomplexes und lehrt ihre Tochter früh, dass das schöne Leben, der Lebenstanz, für sie lediglich durch den Fernseher ersichtlich wird. Angelika liebt das Wiener Nachtleben und zieht mit ihrer besten Freundin, Ingi, gerne durch die Clubs und Bars. Dabei überspannt Ingi meist den Bogen und flüchtet sich in zu viele Rauschzustände. Angelika arbeitet in der Verwaltung eines Traditionshotels in der Buchhaltung. Das Hotel, das Grand Hotel Frohner, ist Anlaufstelle für betuchtes Publikum und nicht nur während des Opernballs ein Heim für Prominente. Durch ihren Fleiß fällt Angelika dem Inhaber positiv auf. Nicht nur dass Angelika ihm bei einem persönlichen Missgeschick hilft, soll sie für ihn auch die Bilanzen verändern, damit eventuelle Parteien, die Anspruch am Hotel erheben könnten, das Interesse verlieren. Auch der Praktikant wird ihr von der Geschäftsleitung zur Seite gestellt. Dieser übt auf Angelika eine Faszination aus und er möchte sie sogar später mit nach New York nehmen. Doch seine Flatterhaftigkeit und seine familiären Bindungen bringen sie ab von diesen Träumen. Sie überwindet alle Hürden und kann Karriere im Hotel machen. Ihr Privatleben ist durch die Mutter, den bisher unbekannten Vater und ihre Freunde sehr wechselhaft. Ebenso gestaltet sich ihr Liebesleben turbulent und da sie stets weiterhin gerne ausgeht, kommt sie dem Sänger Freddy immer näher. Sie bekommen ein gemeinsames Kind und der Musiker ist mit seinen neuen Lebenssituationen gänzlich überfordert. Somit ist Angelika, um ihr und ihrem Sohn ein gutes Leben zu sichern, bereit, weiterhin die Genauigkeiten in der Buchhaltung und im Leben auszudehnen. Lange macht sie diese Zahlenspielereien, bis sie erneut an ihre Grenzen gerät.  

Ein farbenfroher und sehr unterhaltsamer neuer Roman von der Kaiserin. Der Titel „Fabula Rasa“ verspricht alles, was der Text auch zu halten vermag. Großartige Charaktere treffen auf Fabulierspaß und auf eine toll erzählte Geschichte. Der Roman macht im positiven Sinne süchtig und berauscht durch seine Lebendigkeit.

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