Julia Armfield: „Salzsirenen“

Julia Armfield begeistert mit ihrer Literatur. Durch die Lektüre verwässert sich alles und unsere Welt bekommt durch die beschriebene Auflösung eine neue Festigkeit. Die Verwandlung geschieht durch das empathische Empfinden und durch das Inhalieren der Texte, die unsere Emotionen beeinflussen. Wir leben stets in unserer eigenen Welt, so wie wir sie sehen, wahrnehmen und empfinden. Literatur ist das Salz unseres Daseins, das ermöglicht unsere erbaute Membran zu durchwandern und einen inneren Konzentrationsausgleich herzustellen. Unsere physische und psychische Haut wird durch Literatur durchlässig. Es sind neun Erzählungen, die das Sein neu kartographieren.

Julia Armfield kann keinem Genre gänzlich zugeordnet werden, sie steht darüber und ihre Werke sind voller literarischer Intensivität. Es sind großartige Textbilder, die unsere Elemente auflösen und neu vermischen. Die Erzählungen sind spannend, unheimlich und vielschichtig. Die Kurzgeschichten haben etwas poetisch Kafkaeskes und vermögen uns wie fremdartige Gruselgeschichten zu erschrecken. Poe hätte seine Freude daran und das Schöne zeigt sich auf wunderbare Weise in seiner Umkehrung und Wandelbarkeit. Unsere Körper, unsere Organe durchwandern eine literarische Metamorphose. Erneut wurde Julia Armfield aus dem Englischen von Hannah Pöhlmann übersetzt.

Wer die Autorin bisher nicht für sich entdecken konnte, sollte es mit diesen Stories wagen. Ihr Roman „Gestalten der Tiefe“ ist ein Fazit ihres Könnens. Diese Geschichten sind ein Weg, eine Bereicherung oder gelungene Vertiefung ihrer literarischen Welt. Es wird mit Farbprismen gespielt, die an der Oberfläche unseres Bewusstseins sind und unseren eigenen Schattenwurf verändern. Das Unheimliche tanzt mit der empfundenen Realität. Unser Unterbewusstsein wird eine unerforschte Untiefe, die wir durch solche Werke immer wieder versuchen zu ergründen und zu erforschen.

Die Geschichten handeln von emotionalen Zuständen. Es sind Erfahrungen, die wir alle durchwandern: Einsamkeit, Liebe, Trauer und ungerechtes Empfinden, das wiederum die Rachsucht entfacht. Die Metaphorik wird, wie in ihrem Roman, niemals verklärend eingesetzt, sondern außergewöhnlich, spielerisch und kunstvoll verwendet. Alles ist skurril und wandelbar. Das Alltäglich bricht auf und unsere seelische und körperliche Daseinsform wird transformiert.

Die Sprache begeistert und ist voller Poesie. Die Geschichte und die Worte erzeugen Bilder, die unter unsere Haut gehen und dadurch diese Membran, unseren Schutzfilm, auflösen. In allen Texten bricht etwas aus dem Ursprünglichen hervor, das Verpuppte zeigt seine Wirklichkeit. Der Titel sagt es bereits, es geht um fabelhafte Wesen oder Ereignisse, die etwas Irdisches bekommen und dadurch unser Leben würzen.

Die Werke von Armfield sind wunderbare Gedankenkonstrukte, die unsere Wirklichkeit poetischer erscheinen lassen. Im Mittelpunkt steht immer das Weibliche, das Körperliche, das sich durch das Geistige umwandelt. Die Haut, die Membran, die durchlässig werden kann, ist immer eine Metapher für Selbstschutz. Dabei steht die Verwundbarkeit stets in Relation zu unseren Beziehungen. Die Geschichten lassen uns Wut, Trauer, Frieden und Freude empfinden. Die eingefangenen Momente sind durch Liebe und Leben geprägt. Diese Geschichten sind wunderbare Erfahrungen, die unsere Welt verzaubern.

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