
Es ist der Augenblick, der unser Leben bestimmt. Das wahre Jetzt ist nur ein Wimpernschlag und doch kann die Wahrnehmung und unsere Reaktion darauf alles verändern. Harald Darer schaut stets genau hin und nach seinen Romanen veröffentlicht er nun Erzählungen, die er unter dem Titel „Makula“ vereint. Die Erklärung folgt als Einführung: „In der Mitte der Netzhaut gibt es einen Bereich, in dem die Sehzellen besonders dicht angeordnet sind: die Makula. Hier befindet sich, so heißt es, der Bereich des schärfsten Sehens.“ Darer unterhält und macht aufmerksam. Es ist immer der Moment, der uns innehalten und uns das Wesentliche erfassen lässt. Darer lässt uns teilhaben an seinem Blick auf Familie, Gemeinsamkeiten, Betriebliches und Gesellschaftliches. Figuren, Charaktere, Personen und das empfundene oder erlebte Ich werden dabei eins.
Das was uns verbindet, kann auch jenes sein, das uns zu trennen vermag. Gleich am Anfang wird der Verlust der gedankenlosen Unbeschwertheit mit dem Heranwachsen vertieft. Dabei sind die tiefgründigen und bewegenden Betrachtungen stets auch humorvoll. Der Generationsunterschied zeigt sich zum Beispiel bei der Wettervorhersage. Hört man diese immer, auch wenn man nichts vorhat, oder ignoriert man diese, auch wenn man viel plant? Das jugendliche Ausschlafen als Freiheitsempfinden wird von den Eltern mahnend in Frage gestellt, weil doch nichts mehr vom Tage übrig bleibe. In dieser Erzählung haben Brüder unterschiedliche Autounfälle, die ganz andere Verläufe nehmen. Beim einen ist es ein Blechschaden, der dem einen Bruder dramatisch erscheint und doch wohl nur eine Bagatelle ist. Der andere ist schwer verletzt. Das berufliche, öffentliche Leben trifft bei diesen Geschichten auf das Persönliche und Individuelle. Die Sonnenfinsternis als gesellschaftliches Ereignis kann auch das Persönliche blenden. Jeder Moment ist voller Lebensmomente und das Unaufgeregte kann für Aufregung sorgen. Es geht um Begegnungen und Erlebnisse, die sich auf Parkplätzen oder beim Putzen ereignen. Ein Firmenausflug nach Belgrad oder eine Fahrt nach Indien, die Zauberhaftes verspricht und doch nichts davon erfüllt. Das konturreiche Sehen, jenes, das sich im Brennpunkt ereignet und doch den Moment erfüllt und das mögliche Drama lediglich für den Betrachter offenbart. Das Alltägliche trifft auf das Ungewöhnliche und der Moment lässt uns verweilen. Das Vertraute verändert sich mit dem genauen Hinschauen und der Blick fokussiert oder verzerrt sich.
Diese Erzählungen sind schön, schrecklich und bringen den alltäglichen Blick in Schieflage. Durch die Verschiebung der Perspektiven, die Momentaufnahmen und die momentanen Überraschungen wird das Wichtige im Leben verdeutlicht.
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