
Wir tanzen, um uns vom Ballast zu befreien, um Vergangenes von uns abzuschütteln und um uns ein wenig frei zu fühlen. Die auslösende Szene in dem Roman „Dschomba“ beschreibt einen Tanz auf einem Friedhof. Die Haupthandlungsorte sind der Eferdinger Pfarrfriedhof und die Gastwirtschaft des Ortes. Somit verwebt sich hierbei die Geschichte zwischen gastlicher Geselligkeit und geistlicher Trauer. Der Tänzer ist der Serbe Dragan Džomba, der im November des Jahres 1954 fast halbnackt zwischen den Gräbern tanzt. Er singt dabei ein Wiegenlied. Sein Treiben wird als pietätlos erachtet. Die Beobachtungen der Dorfgemeinschaft schwanken zwischen Neugier, Abneigung und Aggression. Der Dechant beruhigt die Gemüter und gibt ihm ein Quartier im Pfarrhof.
Dragan Džomba ist auf der Suche. Dort wo es kaum noch Spuren der Geschichte gibt, sucht er genau diese. Er lebt in der Gemeinschaft weiter als Fremder. Er erlebt Anfeindungen, Argwohn und Freundschaft. Als alter Mann sitzt er in der Gastwirtschaft an seinem Stammplatz. Das Fremde bleibt stets dem Fremden haften, auch wenn er bereits jahrelang Teil der Gemeinde ist. Die junge Wirtstochter beobachtet und bedient ihn. Er trinkt abendlich lediglich einen Schnitt Bier. Es entsteht eine Neugier und eine Verbindung und die eigentliche Geschichte kristallisiert sich langsam heraus. Die Handlung kreist um den Serbenfriedhof und das Kriegsgefangenenlager, das dort während des Ersten Weltkrieges errichtet wurde.
Es geht um die Geschichte, aber auch um die Gegenwart. Stets ist es das Fremde, das innerhalb einer Gemeinde die unterschiedlichsten Reaktionen, Gefühle und Aktionen heraufbeschwört. Der Roman wirkt sehr authentisch und verwebt Fiktives mit Wahrheit. Karin Peschka ist in Eferding, Oberösterreich, geboren und kann auf ihre sozialen Tätigkeiten zurückgreifen. Das Wissen über die Vergangenheit des Ortes, in dem sie aufgewachsen ist, verarbeitet sie sehr literarisch. Ihr Aufwachsen in einem Gasthof und die Begegnungen hauchen dem Roman das entsprechende Leben ein. Ziemlich schnell verwurzelt man mit den Zeilen im Gasthof und dem Ort und lauscht den Geschichten über die Lebens- und Schicksalswege. Der Text will anfänglich etwas erobert werden, bereitet dann aber in Folge viel Freude. Das Verträumte trifft hier auf Geschichtliches und regt dabei durch die Sprache die Sinne an. Die Charaktere treten aus dem Nebulösen immer deutlicher hervor und mit ihnen auch ein feiner, leicht böser Humor. Der blinde Fleck in der Historie der Ortschaft und die Frage nach Heimat sind die Hauptthemen des Romans.
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