
Taormina ist eine wunderschöne Stadt, die sich an die Hügel an der Ostküste Siziliens schmiegt. Der Ort hat mehrere Ebenen und zeigt alle Kulturen, die hier gelebt haben. Diese traumhafte Kulisse ist Schauplatz eines Miniromans, der viel erzählt und düster und spannend ist wie ein Krimi. Hierbei steht im Mittelpunkt eine moderne Trinacria, das Symbol Siziliens. Denn es sind im Roman drei Hauptthemen: der Tourismus, das organisierte Verbrechen und die Flüchtlingsströme. Dabei lebt der Roman von kurzen Szenen, Andeutungen und Bildern und ist ein Meisterwerk des Minimalismus und der Verdichtung. Schwarzer Humor trifft auf Spannung und erzählt eine perfide Geschichte.
Das Ehepaar Melvil und Luisa erhoffen sich viel von einem gemeinsamen Urlaub. Sie leben in Frankreich und in ihrer Ehe kriselt es gerade gehörig. Ein kultureller Strandurlaub soll die Gemüter und die Partnerschaft beruhigen und retten. Sie haben eine Woche Sizilien gebucht und haben für jeden Tag einen kulturellen Höhepunkt geplant. Abends am Flughafen gelandet holen sie den Leihwagen ab und wollen nach Taormina fahren, wo im unteren Teil der Stadt ihr Hotel gelegen ist. Die Stimmung ist bei den Beiden noch angespannt, dennoch versuchen sie sich auf die kommende Erholung einzulassen und zu freuen. Luisa möchte unbedingt als erstes zum Strand. Auf der Autobahn können sie bereits das Meer sehen und Melvil biegt an der ersten Möglichkeit ab, um zur Küste zu gelangen. Dabei geraten sie an einen Strandabschnitt, wo gerade viel gebaut wird und es lediglich eine Snackbar gibt. Als sie in der Dämmerung umkehren passiert es, sie fahren etwas an. Da dort viel Baumaterial liegt, vermutet Melvil, dass wohl nichts Schlimmes passiert sein könnte. Er hält an, steigt aber nicht aus und besänftigt Luise, die meint etwas Schemenhaftes gesehen zu haben, einen Hund eventuell? Da es bereits spät ist, wollen sie nicht das Hotel und das dazugehörige Personal aufschrecken und übernachten in einem kleinen Ort vor einem kleinen Laden im Wagen. Am kommenden Tag fahren sie weiter nach Taormina und versuchen, den Vorfall zu vergessen und nun endlich den Urlaub zu genießen.
Doch das Drama beginnt, denn Luisa, die Italienisch spricht, liest in der Zeitung, dass ein Kind von einem Migrantenlager tödlich angefahren wurde. Wenn sie nun den Schaden des Leihwagens der Versicherung melden oder sogar zur Polizei gehen, geraten sie sofort in den Verdacht. Waren sie es denn überhaupt, die das Kind angefahren haben? Sie finden mit der Hilfe eines Kellners des Hotels eine Autowerkstatt, die den Schaden schnell und diskret beseitigen kann. Doch das Netzwerk um die Mechaniker und den Tourismus ist gut aufgebaut und schnell geraten Melvil und Luisa in einen Wirbel, der den geplanten Urlaub bald in eine Hölle verwandelt.
Ein kurzweiliger Noir-Roman, der knapp erzählt ist, dennoch genau hinschaut und neben dem Spannungsbogen enorm viel Raum für Gesellschaftskritik schafft. Schuldzuweisungen, Eigenschutz und Persönlichkeitserhalt sind wichtiger als soziale Belange. In kurzen und tollen Szenen wird ein umfangreiches Psychogramm entworfen. Aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller.
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