Ariana Zustra: „Tot oder lebendig“

Dieser Roman ist voller Leben und wandert viele Grade ab. Er wandelt zwischen ernsten Tönen und klugem Humor und bemisst dabei die menschliche Identität. Am Ende wird trotz des ganzen individuellen Lebensdramas deutlich, dass der einzelne Mensch lernen darf, sich nicht ganz so wichtig zu nehmen. Wir nehmen oft alles sehr schwer, weil wir meinen alles habe eine Bedeutung und wenn es keine gibt, suchen wir krampfhaft eine. Oft hilft eine Portion Pommes, um das einfache Glück zu erfahren. Der Debütroman der freien Journalistin und Musikerin Ariana Zustra ist ein feiner Lesespaß, der mit ganz viel Witz unser alltägliches Sammelsurium an Themen entwirrt.

Anna Thurow denkt, nachdem sie Pommes gegessen und sich geduscht hat, am Abend vor ihrem dreißigsten Geburtstag über Selbstmord nach. Eigentlich möchte sie sich nicht umbringen, sondern einfach nur nicht mehr leben. Wenn die kommenden Jahre werden würden wie die vorherigen, empfände sie die bevorstehende Lebenszeit als lästig. Mit ihrem Leben und Körper hadert sie und empfindet in der Sexualität einen leichten Penisneid. Arbeit ist für sie reine und nervige Pflichterfüllung. Ihre Freunde lernte sie damals im Studium kennen. Sie wollten an einem Nachmittag gemeinsam ein Referat vorbereiten, beschlossen dann aber einen Mittagsschlaf zu halten. Seitdem hat sie jene besten Freunde, die sie um ihren Geburtstag herum auf andere Gedanken bringen und der gedankliche Suizid wird gebannt. Annas Nachbarin bittet sie eines Tages, ihr den Koffer zu packen, denn sie werde am folgenden Tag operiert. Bei der Kleidungsauswahl findet Anna eine Karte einer Heilerin und Hypnotiseurin. Sie glaubt nicht an Hokuspokus und ist nur religiös, wenn die Jesusfigur eine entsprechende Ausstrahlung hat. Somit ist sie fast eher populär-religiös. Dennoch nimmt sie zu der Wahrsagerin Kontakt auf und erhält einen Namen, Andri Aschkenasi und Dubrovnik, beziehungsweise Ragusa genannt. Jene Seele hause in ihr und verursache jene innere Unruhe.  Dies nimmt sie als Anreiz für eine Recherche und möchte wissen, ob es jenen jüdischen Mann in Kroatien tatsächlich gab und begibt sich auf die Reise zu diversen Ursprüngen.

Dubrovnik öffnet ihr neue Portale und sie ist überwältigt von der Schönheit. Sie befreundet sich nicht nur mit dort lebenden Katzen, sondern auch mit Menschen an, die vorerst schweigsam und sonderlich wirken. In der jüdischen Gemeinde trifft sie auf eine Frau, die jenen Andri gekannt hat. Sie lernt durch deren Verwandtschaft auch wieder die Liebe kennen und taucht immer mehr in die Geschichte des Landes ein. Neben den wunderschönen Ausflügen in der Stadt, dem Land, auf See und den traumhaften Inseln erfährt sie immer mehr über die dortige Kriegsvergangenheit Ex-Jugoslawiens und die Naziverbrechen.

Der Roman spielt mit Gegensätzlichkeit. Das pralle, bunte und schöne Leben wird stets von Verlust, Trauer und Tod begleitet. Der feine und kluge Humor wird unterbrochen durch Weltschmerz. Aber dank der Autorin bleibt stets der Schalk im Mittelpunkt. Ein feiner, subtiler Humor behält in jeder Szene die Oberhand. Neben den ernsten Themen, den verdrängten Kriegsschauplätzen der Shoa, Religiosität, sucht das Buch auch humorvolle Antworten zur eigenen Identität und der Sexualität.

Ein unglaublich witziger und existentieller Reisetripp der in Abgründe schaut aber dabei nie den Humor verliert.

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