Jess Hansen: „ICE 1024 – Die Möglichkeit der Liebe“

Eine Reise in die Menschlichkeit. Ein Zugabteil, zwei Reisende und ihre jeweiligen Geschichten des Aufbruchs. Diese erzählen europäische Geschichte und die individuellen Lebensverstrickungen. Ein berührender Text, voller verpasster Lebensmomente. Ferner ein Antikriegsroman mit einer Friedensbotschaft, der die Sehnsucht nach Ehrlichkeit und Liebe in den Mittelpunkt stellt.

Jess Hansen hat hiermit sein Debüt veröffentlicht. Er ist bekannt als Filmemacher aus Kiel. Der Roman „ICE 1024 – Die Möglichkeit der Liebe“ ist der spannende Anfang einer kommenden Paulsen-Trilogie. Es geht um die existentielle Frage, was uns als Mensch prägt.

In einer anfänglich eher sachlichen und leicht distanzierten Sprache erzählt Jess Hansen über zwei Reisende, deren Wege sich zufällig im Zug von Kiel nach München kreuzen. Nicht nur diese kurze Begegnung verändert ihr Leben, sondern auch die persönlichen Geschichten und die Beweggründe der Reise, die sie sich zögerlich anvertrauen. Die Charaktere wachsen mit dem Fortgang des Werkes. Die anfängliche Distanz hebt sich langsam auf. Dabei wird erst gegen Ende der ganze Name auf den Vornamen reduziert. Die Wiederholungen des ganzen Namens und die Zugbezeichnung minimieren sich mit dem Wachsen des Vertrauens in den Mitreisenden.

Hannes Paulsen fährt an einem Oktobertag nach München. Er nimmt den Direktzug von Kiel nach München. Oft hat er diese Reise bereits angetreten. Doch emotional hat er sein Ziel bisher nie erreichen können. Nun versucht er es erneut und sitzt mit schwerem Herzen in seinem Abteil. Er hat den Fensterplatz gewählt und lässt die Landschaft an sich vorbeirauschen, wie seine Erinnerungen. In Hannover betritt eine ältere Frau sein Abteil. Sie stört Hannes in seiner Wehmut und nimmt Raum ein, den er ihr widerwillig zugesteht. Aus der Abneigung wird während der längeren Zugfahrt ein Bündnis. Denn durch die Nähe, die anfänglich auf körperlicher Zwangsannäherung durch das Abteil basiert, entsteht eine kurzweilige Vertrautheit. Beide erzählen sich ihre Beweggründe der jeweiligen Fahrt und die Verstrickungen in der persönlichen Biographie und in der Geschichte.

Hannes Paulsen ist Sportreporter und möchte seine Tochter in München besuchen. Dreißig Jahre hat er sie verleugnet. Dann, als ihn sein Vatersein einholte und er den Kontakt suchte, hat er bisher stets einen Rückzug aus Bindungsangst gemacht. Nun reist er erneut nach München mit der festen Absicht, Ronja kennenzulernen. Lise, die ältere Mitreisende, wurde zum wiederholten Mal ihrer Heimat beraubt. Sie war eine Bäuerin und hat erneut den Hof und ihre Heimat verloren. Ebenfalls hat sie ein Fluchterlebnis aus den Wirren des Zweiten Weltkrieges erlebt. Wiedermals steht sie vor dem Nichts und möchte nun ihre damalige große Liebe wiedersehen. In ihrem wenigen Gepäck hat sie unbeantwortete Liebesbriefe und ein Fläschchen mit starken Schmerzmitteln. Was ist das genaue Ziel ihrer Reise?

Beide Geschichten kreuzen sich im Abteil. Dabei bekommen sie kurzweilige Unterbrechungen durch den Schaffner, einen Bekannten aus Kiel und einem verunglückten Hund, der gerettet wird. Jeder Zwischenhalt bringt die beiden ihrem Ziel näher und dem Versuch, die Liebe in ihrem Leben zuzulassen. Weitere Charaktere sind Ronja, die als Tochter nur kurz auftaucht, und Alois, der altersdement in Südtirol lebt und von seiner Tochter gepflegt wird. Alle Geschichten vereinen sich auf der Zugfahrt mit dem ICE 1024 von Kiel nach München.

Ein Roman, der uns Geschichte erlebbar werden lässt und ein Plädoyer für Mitmenschlichkeit und Liebe ist. In der Leichtigkeit des Romans und der unterhaltsamen Ebene verbergen sich philosophische und spirituelle Anspielungen.

Hinweis: Am Donnerstag 10. Oktober 2024 findet um 19:00 Uhr eine Lesung mit Jess Hansen bei uns in der Buchhandlung statt.

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