
„Ich der Kater“ ist Weltliteratur und der Verfasser, Natsume Sōseki (1867 – 1916), gilt als prägender Autor Japans. Der Roman ist ein Meisterwerk und das Buch und sein Schriftsteller sind Vorbilder der modernen japanischen Literatur. Dieser Klassiker lockerte das Sprachliche auf und belebte die Dialoge, die besonders das Umgangssprachliche und den Dialekt als Gesellschaftsbild verwenden. Wunderbar übersetzt von Otto Putz. Der Text lebt durch die entfremdete Distanz. Das Gesellschaftliche wird ganz genau betrachtet und interpretiert. Die Entfremdung, wenn nicht sogar Entmenschlichung und die dazugehörige Distanz erfolgt durch den Erzähler selbst. Der erste Satz prägt die Literaturwelt: „Gestatten, ich bin ein Kater! Unbenamst bislang.“ Er hat eine gewisse Bauernschläue, kann lesen und die menschliche Sprache verstehen und meist richtig deuten. Somit hat der Kater den Menschen in seinem Umfeld viel voraus, die die Mimik missdeuten und lediglich ein Mauzen verstehen. Dabei ist der Roman kein fantastisches Werk mit einem tierischen Helden. Der Kater erzeugt eine Abnabelung vom Menschen, vom Umfeld, der Kultur und vom Autor selbst. Dieser mogelt sich als Erzähler fast unbemerkt ein und legt die Vermutung nahe, der Mensch, wenn nicht sogar alle Menschen, im belebten Haushalt zu sein.
Dies ist einer der bekanntesten Romane in Japan. Er verbindet, wie in den Werken von Natsume Sōseki üblich, das Schicksal Einzelner mit den Umbrüchen der Kultur. Seine Themen kreisen stets um Egoismus, Liebe, Vertrauen und Verrat. Seine Texte verlangen Aufmerksamkeit und Zeit. Siehe auch im Leseschatz besprochen „Kokoro“.
Durch den Blickwinkel auf uns Menschen aus Kateraugen mit Verstand, erhalten die Menschen etwas Verschrobenes, Humorvolles und Rätselhaftes. Der unbenannte Kater ist gut gebildet und muss keine Maus fangen. Stets wird er versorgt und versteht es, die Menschen zu benutzen. Der Roman umspannt sein ganzes Leben. Von der Geburt und dem tragischen Versuch, ihn mit seiner Familie zu ertränken. Doch er überlebt und kann sich als Jungtier in einen gehobenen Haushalt retten. Der Hausherr ist der schrullige Professor Schneutz. Ein Müßiggänger, der sich in den Künsten versucht und oft scheitert. Er hat das Bestreben kulturell Anerkennung zu erlangen. Doch wenn seine Frau zum Beispiel ins Theater möchte, obsiegt das Phlegma. Beobachtet wird alles vom Kater, der meisterhaft alles hört, liest, sieht und erzählt. Sein Menschenbild ist sarkastisch. Dadurch verbindet sich der Katerblick mit der Sicht von Natsume Sōseki, der hiermit den ersten satirischen Roman der japanischen Literatur geschrieben hat. Der Hausherr, das zentrale Beobachtungsobjekt, hat um sich einen Zirkel gegründet. Es ist ein Bund von gebildeten Menschen, der sich selbst als Club der Müßiggänger tituliert. Die Sonderheiten und die verschrobenen Marotten dieser Menschen werden durch die Erzählperspektive entfremdet. Es ist zu vermuten, dass Natsume Sōseki sein Ego und Selbst in diesem Reigen vervielfältigt und aufgeschlüsselt hat.
Natsume Sōseki hat diesen Text für das Magazin geschrieben, für das er tätig war. Seine erste Geschichte um den Kater (das erste Kapitel) hatte großen Erfolg und vergrößerte die Auflage. Daher musste eine weitere Geschichte als Fortsetzung her und das zweite Kapitel war geschrieben. Beide sind in sich leicht geschlossen und haben einen dezent anderen Klang als der Rest. Denn durch den Erfolg wuchs die Geschichte des Katers nun zu einem umfangreichen Roman. Der Kater, der anfänglich noch den Kontakt zu anderen Katzen oder Katern pflegte, wird sich durch einen Verlust oder durch Missfallen immer mehr in der menschlichen Umgebung aufhalten.
Natsume Sōseki gehört in den Kanon der Weltliteratur und besonders „Ich der Kater“ und „Kokoro“ möchte ich hervorheben. Beide haben einen melancholischen Witz und sind tiefgründige und stille Werke, die sich langsam entfalten. Es sind Bücher, die eine kluge und unterhaltsame Sicht auf die Welt und besonders auf die klassische und die moderne japanische Kultur werfen.
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