Rasha Khayat: „Ich komme nicht zurück“

Ein berührender Roman über Zugehörigkeit und die Sehnsucht nach Nähe und Zuwendung. Die Einsamkeit steht dabei im Mittelpunkt der Betrachtung und der Wunsch nach gemeinsamen Erinnerungen. Ferner spürt Rasha Khayat, wie in ihrem Debütroman „Weil wir längst woanders sind“ den Begrifflichkeiten Familie und Freundschaft nach und füllt diese mit viel Leben und Liebe.

Die Protagonistin Hanna, die im Ruhrgebiet bei ihren Großeltern Theo und Felizia aufgewachsen ist und eine Zeit weg war, kehrt zurück. Diese Heimkehr lässt sie erinnern, sich finden und auf Zuwendung und Vergebung hoffen. Neben ihren Großeltern fand sie in der Freundschaft zu Cem und Zeyna eine Wahlfamilie. Es sind die Achtziger Jahre, in denen sich ihre Freundschaft festigt. Die Herkunft hatte in ihrer eingeschworenen Gemeinschaft keine Bedeutung. Hanna und Cem kennen sich schon etwas länger als Nabil mit Zeyna, seiner Tochter, plötzlich auftaucht. Sie sind dem Krieg aus dem Libanon entflohen, wo Zeyna ihre Mutter verlor. Diesen Verlust kann Hanna nachempfinden, denn ihre Mutter starb bei einem Unfall. Die drei werden unzertrennlich in den ersten Jahren, dann treten immer mehr die Unterschiede hervor. Die Angst von Cems Familie und von Zeyna und ihrem Vater wächst, als Flüchtlingsheime Opfer von Brandstiftungen werden und später, am 11. September 2001, verändert sich erneut das Umfeld und damit auch das innere, familiäre Empfinden. Doch hält ihre Freundschaft, gerade weil Cem stets als Ruhepol die Dramen zu besänftigen versucht. Doch ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt und ein Ereignis, über das Hanna mit Cem nicht sprechen mag, erzeugt einen Bruch zwischen Hanna und Zeyna.

Hanna, die ebenfalls den Geburtsort verlassen hatte, kehrt heim und zieht in das Haus ihrer Großeltern. Sie verfällt einer Traurigkeit und einer Einsamkeit, die sie langsam versucht aufzuarbeiten. Sie besucht Freunde, die sich aber verändert haben, und es fehlt ihr an Zuneigung und Innigkeit. Diese fehlt besonders, denn es ist die Zeit der Pandemie mit den Abstandsregelungen und Lockdowns, die die Vereinsamung beschleunigen. Cem lebt noch dort und hat seinen Lebensmittelpunkt gefunden. Doch weicht sein Lebensinhalt von Hannas Vorstellung ab. Sie erkennt, dass wir Menschen oft zu etwas machen, was sie nicht sind. Man sieht, was man sehen möchte, was man benötigt und was einen verbindet. Dabei übersieht man oft das wahre Bild, das dem gemachten aber sehr ähnlich ist. Doch die Vertrautheit zwischen Cem und Hanna ist sofort da, war nie weg. Doch sind es die ungesagten Worte, die zwischen ihnen stehen. Worte, die, so empfindet Hanna, ganze Bibliotheken füllen könnten. Wann traut sie Cem zu sagen, was damals zwischen ihr und Zeyna passierte? Kann Hanna Zeyna finden und ihre Geschichte endlich abschließen und die Freundschaft erneut beleben?  

Rasha Khayat schreibt sehr lebendig und direkt. Wird in ihrer Prosa aber auch lyrisch und verwendet passende Wiederholungen wie einen Refrain, um den Gefühlsmoment zu vertiefen. Es geht um Ausgrenzung, Freundschaft und die Sehnsucht nach Entgegenkommen, Verbundenheit und Nähe. Es sind stets mehr Dinge, die uns alle vereinen als tatsächlich unterscheiden oder trennen. Ein einnehmendes, spannendes und schönes Buch.  

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