Sabine Peters: „Die dritte Hälfte“

Ein feiner Roman über den Lebensabschnitt, in dem der Blick zurück mehr Raum einnimmt als die Zukunftsvisionen. Die Handlung wird eingefangen durch eine Arztpraxis und die dort agierenden Menschen.  Es ist viel mehr als ein Arztroman, denn es werden existentielle Fragen gestellt. Ein gesellschaftliches Mosaik wird durch die unterschiedlichen Perspektiven, Generationen und sehr kurzweiligen Szenen entworfen. Die dritte Hälfte des Lebens sinniert über die Überforderung des Alterns, das Leben, die Kultur und die eigene Geschichte und Persönlichkeit. Unser ganzes gegenwärtiges Leben wird hier schmunzelnd, fragend und leicht philosophierend in ein sehr unterhaltsames Flickwerk eingebunden.  

Hermann Dik, kurz Doc genannt, ist abgekämpft, ausgebrannt und innerlich müde. Doch er macht weiter, er praktiziert noch und ist für seine Patienten da. Work-Life-Balance ist für ihn ein Fremdbegriff. Jeder Patient, der sein Arztzimmer betritt, kann sich seines Gehörs sicher sein. Es sind die unterschiedlichen Geschichten und Anliegen, die die Menschen zu ihm treiben. Das Altern fällt Doc schwer, besonders das Alleinsein. Dabei ist der Witwer nicht einsam. Seine Schwester und die Nachbarin sind da. Beide meinen es gut. Mit der Nachbarin trifft er sich regelmäßig, um Filme zu sehen, um dann doch einzuschlafen. Die Sorgen um deren Sohn treiben sie um, denn dieser wird immer mehr ein Aktivist. Durch die Patienten und die Arzthelferin bekommt der Roman unterschiedliche Perspektiven. Gesellschafts- und Kulturkritik wird dabei spürbar. Das Wegbleiben der Lesekultur und der Kultur überhaupt wird durch die Schwester und besonders durch den alten und guten Freund von Doc, Brummer genannt, verdeutlicht.  

Die Welt als buntes Spiel. Haben wir alle bei der Geburt unsere Grundeinstellung erhalten? Können wir dem Ich nicht entkommen? Was passiert uns im letzten Lebensabschnitt und was machen wir daraus? Wie gehen wir damit um, wenn die kleinen körperlichen und seelischen Wehwehchen einsetzen?

Ein ruhiger, sehr unterhaltsamer und kluger, sowie eigensinniger Roman. Ein einfühlsames, melancholisches und menschenfreundliches Werk, das auch am Lebenswitz nicht spart.

2 Kommentare

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2 Antworten zu “Sabine Peters: „Die dritte Hälfte“

  1. danke für die gute Empfehlung, das will ich lesen!

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