
„Nichts Wichtiges stirbt“ sagt der Vater beim Abschied zu seinem Sohn in dem Roman „Europäische Erziehung“ von Romain Gary. Diese Aussage trifft auch auf das vorliegende Buch zu. Denn es ist eine Wiederentdeckung und Neuübersetzung. Aus dem Französischen von Birgit Kirberg, die diese Veröffentlichung ermöglicht und vorangetrieben hat. In dem 1944 erschienenen Romandebüt erzählt Romain Gary von Partisanen, die für die Freiheit kämpfen und vom Überleben in den Wäldern. Es ist ein „Coming of Age Roman“, in dem der Protagonist während des Zweiten Weltkrieges sehr schnell erwachsen werden muss. Zehn Jahre nach dem Krieg hat Gary, der bereits ein bekannter und ausgezeichneter französischer Schriftsteller war, beschlossen eine neue und überarbeitete Version von „Éducation Européenne“ zu veröffentlichen. Das Buch erschien auch 1962 in der deutschen Übersetzung „General Nachtigall“ ist aber seitdem gänzlich verschwunden. Nun ist dieses wichtige Buch wieder in einer guten und eindringlichen Neuübersetzung verfügbar. Es ist eine existentielle Geschichte über unsere europäischen Werte und unser Friedensverständnis. Romain Gary wurde 1914 in Vilnius geboren und starb 1980 in Paris. Er war Regisseur, Übersetzer, Diplomat und Schriftsteller. Während des Krieges war er in der französischen Luftwaffe als Pilot eingesetzt und später Generalkonsul in den USA. Als bisher einziger Autor gewann er zweimal den Literaturpreis Prix Goncourt, da er auch unter Pseudonym veröffentlichte.
Janek ist fast noch ein Kind. Sein Vater hat im Wald ein Versteck gefertigt und das Erdloch ist gut getarnt und mit einer aufgelegten Tür und Zweigen fast unsichtbar. Der Vater ist Arzt und ein Aktivist und will den Menschen weiterhin zur Seite stehen. Doch sein Sohn soll überleben, daher haben sie eine Höhle gegraben, präpariert und mit Lebensmitteln, einem Schlafplatz und einer Feuerstelle ausgestattet. Für Janek wirkt alles anfänglich noch spielerisch, doch die ersten Nächte und das spätere Fernbleiben des Vaters, lässt ihn das Kindliche immer mehr ablegen. Um ihn herrscht Krieg und das Leben ist menschenverachtend. Überall wird gemordet, vernichtet und verbrannt. Janek ist allein in seiner Höhle und verbringt einige Tage versteckt, bis die Not immer größer wird. Er macht sich über das Leben seine Gedanken. Eventuell sterben wir, wenn wir handeln, oder gerade wenn es nichts zu tun gibt. So sind seine Gedanken. Sterben ist gleich schwer wie leben in diesem Winter. In der Ferne wütet der Kampf um Stalingrad. Nach einigen Tagen, als der Vater ihn nächtlich nicht mehr aufsucht, kriecht Janek aus der Höhle und trifft auf weitere Versteckte, Waldler und Untergrundkämpfer. Diese haben alle eine unterschiedliche Herkunft, aber hier in ihren Höhlen und Verstecken hebt sich das auf. Janek wird selbst aktiv und überbringt zum Beispiel Nachrichten. Er trifft dabei auf Zosia und es entsteht in der Gemeinsamkeit eine Liebe. Die unmenschlichen und extremen Bedingungen machen ihnen das Leben schwer und doch erleben sie jeden Tag, wofür es sich zu kämpfen und zu überleben lohnt.
Eine kindliche Irritation wird durch erwachende Ratlosigkeit und Gefühllosigkeit abgelöst. Dann keimt die Hoffnung, die an das Gute glauben lässt und wird durch die Liebe bestärkt. Das Menschliche belebt diesen Roman, der unser Freiheitsempfinden grenzenlos bestärkt. Dieser Text hat eine klare Botschaft und ist fast aktueller denn je. Literatur kann Empathie stärken, Menschlichkeit und Solidarität bestärken. Auch wenn Bücher alleine gelesen werden, haben sie stets etwas sehr verbindendes. Also bleibt zu hoffen, es werde mehr gelesen, es werden solche Bücher gelesen und wir verlieren nicht den Glauben an das Gute.
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