Silvia Pistotnig: „Die Wirtinnen“

Die Wirtinnen bereiten einen literarischen Zahltag vor. Denn im Mittelpunkt steht ein Gasthaus und hier wird gefeiert, gelebt und der Kummer ertränkt. Es sind drei Frauen, die drei Wirtinnen, Johanna, Marianne und Gertrud. Das sind Großmutter, Tochter und Enkelin. Johannas Weltblick geht weit und tief. In kurzen Szenen und einer schönen, aber ungeschönten Sprache werden die Lebensträume und die Schicksale aufgebaut.

Johanna wird in armen und bäuerlichen Verhältnissen geboren. Es sind die 30er Jahre und es besteht kaum Hoffnung, dass das schwache Kind überlebt. Doch das Kind lebt trotz der Vernachlässigung. Die Klangwelt offenbart sich ihr schnell. Die Laute der Tiere und die Musik, besonders die Orgel während des Gottesdienstes, lassen sie stets aufhorchen. Ihre musikalische Begabung erkennt der Organist, der sie fördert, aber auch fallen lässt, als sie begabter wird.

In der Mitte ist es Marianne, die gegenwärtig die Stube bewirtschaftet und im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht die Töne, sondern die Zahlen liebt. Alles ist bei ihr minütlich geplant, der Tag der Buchhaltung ist für sie einer der schönsten. Sie steht Tag für Tag in der Gastwirtschaft und hat Beziehungsprobleme.

Die junge Tochter, Gertrud, gerne Trudi genannt, wird oft für einen Jungen gehalten. Sie ist ihrem Alter entsprechend rebellisch und unzufrieden. Sie liebt das Fußballspiel, doch erhält sie als Mädchen keine Unterstützung. Somit keimt in allen drei Frauen eine kraftvolle Wut, die Befreiung sucht. Psychologisch und tiefgründig werden die Charaktere entworfen. Der Zeitrahmen umfasst die 1930er Jahre bis zur Gegenwart. Die Umgebung und das politische Umfeld verändern sich und somit auch die jeweilige Innenschau. Das Schweigen und Persönliche wird verdrängt, gebrochen und erhört. Das Patriachat, der Machtmissbrauch und emotionale Zerwürfnisse werden vor historischer Kulisse beleuchtet. Dabei bleibt stets die Hoffnung, dass nicht alle Lebensträume platzen mögen. 

Durch die kurzweiligen Szenen verfällt man sofort den drei Wirtinnen. Eine authentische Handlung, die mit großartigem Personal bestückt ist und dadurch viel Empathie erweckt. Mit viel Humor und Hingabe geschrieben.

Die Wiener Autorin hat hiermit ihren vierten Roman geschrieben und sich die Zeit genommen, uns in Kiel zu besuchen. Wir freuen uns unglaublich über diesen netten Besuch.

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4 Kommentare

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4 Antworten zu “Silvia Pistotnig: „Die Wirtinnen“

  1. Verbindlichen Dank für dieses sympathische und nahbare Interview zum Buch! So kann man Leseneugier wecken.

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