Luca Kieser: „Weil da war etwas im Wasser“

Die Erde ist aus weiter Ferne eine blaue Murmel mit weißen Schlieren und das Blaue ist der wahre Lebensraum. Der Schritt zurück – oder nach vorn – offenbart diverse neue Perspektiven. Denn um die Perspektiv- und Lebensvielfalt geht es hierbei. Kieser gibt dem Meer, seinen Bewohnern und den Menschen, die sich um den wässrigen Lebensraum bemühen, eine Stimme. Wer dies alles beobachtet ist ein Kalmar, ein Tintenfisch. Die Kopffüßler sind schlaue Tiere. Sie haben mehr Hirne als Herzen, aber von allem genug. Wenn die Arme neben den fühlenden Saugnäpfen eigene Hirne haben, haben sie auch jeweils unterschiedliches und individuelles Bewusstsein. Zumindest in diesem außergewöhnlichen Roman.

Im Zentrum erleben wir den Kalmar, beziehungsweise, die Kalmarin. Alles hängt mit diesem Fabelwesen zusammen. Ein Kopf mit acht Armen und alle erzählen ihre Geschichte. Jeder Arm mit seiner individuellen Persönlichkeit. Diese ist stets als Marginalie auf den Seiten ersichtlich. Ihre Namen geben den Charakter vor. Es sprechen der süße, hehre, blendende, eingebildete, halbe, müde, arme und bisschen schüchterne Arm. Ein Bewusstsein aus einer Viele schwimmt somit im Weltmeer. Ein Wir im Ich erzählt vom Uns und dadurch wird es spannend. Alle tragen zum Ganzen bei und erleben das, was die einzelne Kalmarin erschwimmt, individuell. Ein Tier wird zum Paten unserer nach Individualität suchenden Gesellschaft im schwammigen Wir-Kosmos.

Menschen tauchen natürlich auch auf. Menschen am Meer, die immer wieder über die Zeiten mit Fischfang und Kalmar in Berührung kommen. Menschen, die vom Meer fasziniert und angezogen werden. Auch die historischen, literarischen und cineastischen Werke mit Meeresbezug tauchen auf. Das Menschsein in Bezug auf die Kreativität und die Handlungen. Wir begleiten mit dem Text die Crew eines Trawlers und am Ende lesen wir ein Tagebuch einer Praktikantin auf einem Forschungsschiff. Somit verbindet sich erneut eine Vielstimmigkeit zu einem Ganzen. Ein Roman, der zum Eintauchen auffordert.

Ein faszinierendes und kluges Wechselspiel der gewohnten Sichtweisen. Großartige Unterhaltung, die mit allen Wassern der Meere gewaschen ist. Dieser Roman ist ein nachdenklicher und humorvoller Tauchgang – in die Meere und letztendlich in das ganze Leben.

Vielen Dank, dass ich dieses Buch schon länger begleiten darf und das Manuskript vor Drucklegung lesen durfte. Ich freue mich, dass Luca Kieser mit seinem doch ungewöhnlichen Werk für den Buchpreis nominiert ist.

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