Benoit d`Halluin: „Nacht ohne Morgen“

Ein raffinierter Roman um die Geheimnisse der Liebe. Es handelt sich um einen Debütroman, der sofort eine Spannung aufbaut, dass man atemlos bis zur Morgendämmerung nach der Nacht ohne den vermeintlichen Morgen wartet. Es geht schlichtweg um die Liebe, die man schenkt und empfängt. Doch sind das Erkennen und das vertrauensvolle Geben nicht selbstverständlich. Denn es gibt die grenzenlose, die bedingungslose und die Liebe, die festzurren möchte. Vorangestellt ist ein Lebensspruch, der sich aus dem Roman selbst zitiert: „Für ein Schiff, das seinen Kurs nicht kennt, weht kein Wind günstig“. Somit geht es im Werk ferner um das Selbsterkennen, annehmen und akzeptieren.  

Der Prolog beginnt in den Catskills, dem Mittelgebirge im Norden des Staates New York. Alexis geht spazieren und wird angefahren. Es ist kein Unfall, denn das Fahrzeug wendet, als es ihn zuerst nicht erwischt hatte. Somit wird ein Wagen zu einer Waffe umfunktioniert.  Alexi scheint den Fahrer, bevor er fällt, zu erkennen.

Catherine erhält einen Anruf von einem fremden Mann. Es ist Marc der ihr berichtet, dass ihr Sohn, Alexis, in einem New Yorker Krankenhaus im Koma liegt. Für Catherine bricht eine Welt zusammen. Eine Welt, die ihr auch viele Geheimnisse vorenthielt. Denn Marc ist der Lebensgefährte von Alexis und davon wusste sie bisher nichts. Marc, der in New York lebt, ist gerade in Frankreich und holt sie ab und gemeinsam fliegen sie in die Stadt, die eigentlich niemals zu schlafen scheint. Der Roman wird ummantelt von dieser Reise zum Flughafen, dem Flug über den Atlantik und die Ankunft in New York.

In der Handlung springt der Roman zurück in die Vergangenheit. Marc lebt als Kind auf Korsika. Seine Mutter hat die Familie früh verlassen und der Vater verbannt ihn als Teenager, als er mitbekommt, dass Marc sich in einen Jungen verliebt hat. Er geht auf das französische Festland, macht Karriere und wird später in New York sehr erfolgreich. Doch kann er keine Liebe oder Bindung finden. Er hatte eine feste Beziehung, die aber krankhaft wurde und Marc immer wieder einholt. Sein Glück findet Marc mit Alexis. Alexis erkennt seine Sexualität früh, wird dann aber von seinem Lehrer, der den Theaterkurs leitet, missbraucht. Diese empfundene Scham behält Alexis lange für sich und kann dadurch seiner Familie auch nie die ganze Wahrheit sagen. Er flieht, vorerst vor der Schule und später von der vertrauten Umgebung, und trifft auf Marc, die Liebe seines Lebens.

Doch nun liegt Alexis im Koma und wurde mit Vorsatz angefahren. Catherine,  die mit Marc unterwegs ist, fragt sich, wer der Mann ist, der für sie alles mitorganisiert, der von ihrem Sohn anscheinend bedingungslos geliebt wurde. Kannte sie überhaupt ihren Sohn, wenn er über seine Liebe nie gesprochen hatte und wer hat ihm den Tod gewünscht?

Der Roman baut sich schichtweise auf und ist klug komponiert. Die Handlung spielt vor der Kulisse einer wunderschönen mediterranen Landschaft im Wechsel mit der Großstadt. Es gibt viele Ansätze, die zu einer Auflösung führen würden. Bis zum Ende fiebert man aber mit, wer den Anschlag verübt hat und ob die Nacht voller Lebenslügen einen Morgen erfährt. Aus dem Französischen von Paul Sourzac übersetzt. 

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