Anna Katharina Fröhlich: „Die Yacht“  

Ein Sommernachtstraum, der der Schnelllebigkeit genussvolles Schauen, Genießen und Erleben entgegenhält. Diese Novelle ist ein Blickfang, die den Moment sinnlich erfasst. Mit einer Leichtigkeit entwirft Anna Katharina Fröhlich ein Spiel aus fixierter Kunst und treibender Lebenskunst voller Sinnhaftigkeit, Humor und einer genauen literarischen Beobachtungsgabe.

Martha verbringt die Sommermonate in Italien. Sie ist aus London in die namenlose Stadt gereist, um zu malen und die Kunst, das italienische Leben auf sich wirken zu lassen. Das Malen kann nur gelingen, wenn genau hingesehen wird. Den Moment zu erleben und wirken zu lassen dient nicht nur der geistigen Entschleunigung, sondern schult auch die Verfeinerung der Wahrnehmung und die Menschenkenntnis. Der umtriebige moderne Mensch verpasst oft den jetzigen Augenblick und ist durch die stets mitgeführte Medienwelt von der Realität abgelenkt. Dies möchte Martha nicht, sie will erfassen, genießen und lernen. Bei der Suche nach einem geeigneten Platz für eine Karaffe Wein trifft sie im wuseligen Treiben auf Salvatore Spinelli, der ihr wie ein Zauberkünstler einen Platz im Restaurant herbeiwinkt. Sein ganzes Auftreten wirkt manegereif und er entpuppt sich als luftiger Lebenskünstler. Spinelli hat eine faszinierende Wirkung auf die Menschen und scheint in der Achtung einiger hoch angesehen zu sein. Er beeindruckt und hat doch nichts, denn er ist arm. Er ist stets so durch das Leben gekommen. Spinelli erzeugt somit einen Kontrast zwischen seiner Armut und seiner Wesenserscheinung aus extravaganter Eleganz.

Spinelli schlägt vor, nach Sizilien zu reisen. Eine Sommervilla am Meer ist Spielort des Luxus. Martha taucht ein in eine Welt aus Kunst und Illusion. Die Leistungsgesellschaft, die ein mondänes Leben pflegt, ist verkörpert durch ihre Gastgeber, die jene titelgebende Yacht mit dem Namen „Devil´s Kiss“ nutzen.

Die Leichtigkeit, die Spinelli offenbart, zeigt die Lebenskunst, während Martha den Geheimnissen der bildenden Kunst nachspürt. Haben wir das Paradies je verlassen? Sind wir jemals vertrieben worden oder wurden wir lediglich geblendet? Denn die Wege der Kunst führen ins Paradies, in dem wir uns bereits befinden, ohne es wirklich wahrhaben zu wollen.

Anna Katharina Fröhlich spielt mit Kunst, dem Augenblick und ihren Figuren. Ihr Sprachgefühl lässt uns mit den Charakteren die sonnigen Momente erleben. Die feinen Beobachtungen, die angeregten Sinne und die Geschichte lassen uns innehalten, verweilen und verursachen eine Entschleunigung. Dabei ist es kein verklärender Text. Das Licht hat stets seine Schattenseiten. Doch möchte man nach dieser Lektüre selbst die Leichtigkeit im Leben zurück haben. Denn es gibt sie wohl doch, jene Wunder des Lebens, zumindest in der Literatur.

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