Sjón: „Nachtarbeit“

Nachtarbeit ist eine Lyrik, die nach beenden der Lektüre ins Bewusstsein tröpfelt. Langsam breitet sich durch das chronologische Lesen und Erfassen ein Gesamtbild im Selbst aus. Die Vielschichtigkeit macht sich durch die Kapitel, die unterschiedlichen Stile und die Bildersprache bemerkbar. Der Inhalt besteht aus Gedichten, einer lyrischen Statistik, Übersetzungen von Baumliteratur und Fabeln. Alles wurzelt in einer Naturlyrik, die sich aufspaltet zwischen der Natur, dem Menschen und den kreativen Schöpfungen. Denn Sjón verbindet sein Werk mit den Gedanken anderer Schriftsteller und Mythen. Alles ist hier dem Klang untergeordnet. Eine Lautmalerei, die im Musischen verklingt. Neben den Prosaskizzen und traumwandlerischen Momenten wird in den fixierten Gedanken das Übergreifende verdeutlicht. Alles ist im Einklang, denn als Beispiel taucht der Vogelgesang auf, der wiederum den Bogen zu den Federn macht, die angespitzt uns als Schreibutensil dienen, um unsere Gesänge festzuhalten.

Sjón ist ein gefeierter isländischer Autor. Er hat für seine Romane und Lyrik schon einige Preise erhalten. Er war auch 2001 für den Oscar nominiert. Er ist bekannt für seine Texte für die Musikerin Björk und zusammen mit ihr und Lars von Trier schrieb er die Texte für die Songs des Films „Dancer in the Dark“. Der Film ist ein wunderschönes und tieftrauriges Werk, in dem eine fast blinde Frau (Björk) unter anderem singt, sie habe alles gesehen und dabei in der Dunkelheit tanzt. Diese melancholische Schönheit zeigt sich nun auch in den Texten des Bandes „Nachtarbeit“. Doch ebenso die Liebe zum Leben. Die Musik spielt in den vorliegenden Texten erneut eine Rolle, nicht nur weil Gedichte rhythmisch und klanglich auf uns einwirken, sondern auch weil unter anderem Sir Edward the Great, besser bekannt als Eddie, das Maskottchen von Iron Maiden auftaucht. Beschrieben wird die Platte, auf der Bruce Dickinson seinen großen Einstand hatte und den Spitznamen „Luftsirene“ erhielt. Somit erzeugt Sjón auch durch diesen versteckten Hinweis einen Bogen zum Aufruf, wenn es um Klangkunst geht, genau hinzuhören. Ferner sehen wir hierbei den Menschen als Marionette der auf ihn einwirkenden Mächte.

Sjón betrachtet den Ursprung der Sprache und somit die Grundlage unserer Existenz. Dabei beobachtet er uns als Menschen, die durch den inneren Zwiespalt, durch die Trennung einer äußeren Wahrnehmung und der inneren Welt getrennt leben, wie geteilt durch eine Glasscheibe. Das Überwinden dieser Grenzen ist das Ziel von „Nachtarbeit“. Das Buch liegt in einer zweisprachigen Ausgabe vor. Die isländischen Übertragungen stammen von Wolfgang Schiffer und Jón Thor Gíslason. Diese Nachtarbeit ist keine anstrengende Arbeit, sondern eine, die sofort gewinnbringend ist und lange im Betrachter nachklingen möchte.

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3 Kommentare

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3 Antworten zu “Sjón: „Nachtarbeit“

  1. Wolfgang Schiffer

    Ein sehr schöne Fotomontage, lieber Hauke! Danke für das schöne Aufmerken!

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