Jakob Pretterhofer: „Die erste Attacke“

Ein spannender Roman über den Wunsch, alle, die im eigenen Umfeld geliebt werden, zu beschützen. Sogar vor Alpträumen. Das Bewahren vor Negativem in der Welt und in der eigenen Psyche kann nicht wirklich gelingen, wenn es lediglich durch Verdrängung gelingen soll. Wenn in der Gesellschaft alles Verletzliche von vornerein ausgeklammert wird, auch in der Begrifflichkeit, kann keine gute Verarbeitung geschehen.

Der Roman wird aus der Sichtweise eines besorgten Vaters erzählt. Die Handlung spielt an wenigen Tagen und ist voller Situationskomik innerhalb des Gruppengefüges und spitzt sich dann alptraumartig zu einer Eskalation zu. Die Handlung basiert auf den Tagebucheinträgen des Vaters, der am 1. Juli einen Alptraum hatte, den er heimlich genossen hat. Am kommenden Tag geht es in den Urlaub. Sie fahren mit zwei weiteren Familien in die Natur. Sie nennen ihre gemietete Unterkunft eine Hütte und doch ist es ein unromantisches Haus, eher ein leicht marodes Ferienlandhaus. Somit gerät bereits hierbei die Wahrnehmung durch die Begrifflichkeit in eine Schieflage. Die drei Familien sind alle ganz anders, doch eint sie die Ansicht zum Thema Kindererziehung. Es sind insgesamt fünf Kinder dabei. Die Kinder werden vor jeglicher Gefahr vorbereitet und selbst auf der Hinfahrt meint  der Vater, das Auto würde brennen und ruft den Probealarm aus. Die Kinder kennen den Vorgang spielerisch und sind leicht genervt.

Im Urlaub sind Wandern und Spielen vorgesehen. Aber auch die bestimmten Rituale, wie Traumtagebuch schreiben, gute Gedanken erzeugen, negative Last abschütteln und die jeweiligen Bettgehrituale. Diese bestehen aus Vorlesen, Singen und sich gute Träume wünschen. Denn Alpträume sind für alle furchtbar. Vor Kurzem litt die Tochter des Erzählers unter Träumen, die sie schreiend aufwachen ließen. Aber durch eine Therapie, die sich der Vater ausgedacht hatte, scheint alles beseitigt zu sein und das Kind schläft wieder gut. Doch läuft im Urlaub einiges schief. Nicht alle Kinder vertragen sich. Die Kinder sind Reflektoren und ihre Wesenszüge spiegeln die der Eltern, die manipulierend, verständnisvoll oder sogar versteckt aggressiv sein können. Einige Kinder bekommen Alpträume, mögen aber nicht darüber reden und Stress breitet sich bei den Erwachsenen aus. Die Träume breiten sich aus und gleichen diese dem Traum des Vaters vor der Abfahrt? Ist es ein kollektives Erlebnis oder ist eine Grenze in der Erziehung überschritten worden? Als dann die Kinder verschwunden sind und dann auch noch die Autoschlüssel, eskaliert die Situation.

Der Alp, der sich uns auf die Brust setzt und den bösen Traum beschert, wird hier auf psychologischer Ebene lebendig. „Die erste Attacke“ ist ein unterhaltsamer und böser Spaß in unserer Traumwelt und Realität. Der Handlungsaufbau und die Erzählweise erzeugen eine dichte Spannung, die in die Nähe eines Psychothrillers kommt. Doch ist es ein darüber hinausgehender Roman, der diverse Reflektoren für unsere Gesellschaft anbietet.  

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