Hannah Lühmann: „Auszeit“

Die Auszeit, um die es hier geht, handelt von einer jungen Frau, die nach einer Abtreibung in Trauer verfällt und mit einer Freundin gemeinsam ein Refugium im Bayerischen Wald aufsucht. In einer Hütte im Wald wollen beide Frauen eine Auszeit nehmen und mit Hilfe der Natur den inneren Einklang wieder finden. Es sind die Wünsche und Träume einer jungen Generation, die sich hier in den Protagonisten spiegeln. Der Roman ist unterhaltsam, mit einer gewissen Leichtigkeit geschrieben. Das vermeintlich Einfache kann sich im Nachklang als Tiefgründiges erweisen und neben der Unterhaltung und dem Lesespaß klingt auch etwas Melancholisches mit.

Das Buch verwebt in der Metaphorik oft ein Innen und Außen. Grenzen, die durch einfache Symbolik in der Natur erscheinen, können Sinnbild der inneren Blockaden sein. Alles wirkt aufeinander ein und ist Resonanz. Gleich dem Atmen strömt etwas in den Lebensraum, wird aber auch erneut ausgestoßen oder sucht sich seine Möglichkeit des Ausbruchs aus dem Schutzraum. Henriette, der Hauptcharakter, schreibt schon lange an ihrer Dissertation über die Kulturgeschichte des Werwolfs. Dieses Fabelwesen ist eine unnatürliche Natürlichkeit. Etwas Ungeheuerliches brodelt innerlich, sucht sich seinen Freiraum, verdrängt das Eigentliche und wird tierischer als der Mensch und das ursprüngliche Tier.

Henriette verbringt mit ihrer guten Freundin Paula eine Zeit in einer abgelegenen Hütte im Wald. Der Vorschlag kam von Paula, da Henriette Zeit benötigt, um das ungeborene Kind zu betrauern und um endlich auch ihre Doktorarbeit fertigzustellen. Ihr Doktorvater drängt auf baldige Abgabe. Henriette hat sich bisher einfach vom Leben treiben lassen. Entscheidungen wurden ihr oft durch Wendungen, Zufälle oder Andere abgenommen. Nun steht sie für sich alleine da und muss langsam Klarheit bekommen, was sie im Leben möchte, was sie zukünftig erwartet. Paula, die auch noch nach ihrem Glück sucht, aber innerlich gefestigter wirkt, unterstützt Henriette. Im Zentrum steht das Innenleben beider Frauen. Im Wald trifft die Suche nach dem Lebensglück auf Werwölfe, Reiki und Resonanzkörper. Dies klingt spiritueller als es im Text tatsächlich ist. Sehr unterhaltsam und klug werden diese ganzen Elemente eingebaut. Wie soll man endlich Klarheit im Leben finden, wenn alles noch unklar ist? Wie und wo findet man das Glück? Die Einsamkeit, die Natur tut den Frauen gut und sie finden eine anfängliche Ruhe. Doch ein Freund, der dazustößt, wirbelt alles durcheinander.

Ein Roman über Freundschaft, Träume und Ängste. Der Text spielt auch mit der Frage, wie man das Glück findet, wenn  sich dies stets verbirgt, auch wenn man vermeintlich doch alles im Leben bereits besitzt oder haben kann? Das lineare Leben benötigt Raum, um sich in diesen hineinentwickeln zu können. Das Einfache wird begrenzt durch die Sehnsucht nach Unabhängigkeit und den inneren gebändigten Wilden.

Hannah Lühmann hat mit ihrem Debütwerk einen leicht lesbaren Roman geschrieben, der Spaß macht und zum Nachsinnen einlädt.

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