Stéphanie Coste: „Der Schleuser“

Der Schleuser erzählt uns eine Geschichte, die wir nicht so schnell verlassen und vergessen werden. Seine Handelsware ist die Hoffnung. Er ist skrupellos und herzlos. Er selbst betäubt sich mit Khat und hat einen sarkastischen Schutzpanzer um sich aufgebaut. Dennoch kommt sein unterdrücktes, inneres Wesen immer mehr zum Vorschein.

Der Schleuser ist Seyoum, ein Eritreer. Sein Vater hat im Unabhängigkeitskrieg gekämpft und als Journalist gegen das Regime protestiert. Die ganze Familie leidet unter den Mächtigen des Landes und verschwindet. Seyoum kann der Gefangenschaft entkommen. In Libyen hat er ein Schleppernetzwerk aufgebaut und sich einen Namen machen können. Er ist einer der Beachteten und wird durch das hohe Schmiergeld, das er zahlt, auch von der Küstenwache meist in Ruhe gelassen. Seine Geschäfte laufen bestens. Sein Gewissen und sein Mitgefühl hat er besiegt und weiß es gut im Innersten zu verbergen. Die Ware Mensch ist ein lukratives Geschäft. Aber eigentlich ist es die Hoffnung, die er verkauft. Er kauft ausgediente Boote von den Fischern, die diese zu Höchstpreisen anbieten. Boote, die eigentlich nur noch auf den Schrottplatz gehören. Durch die Todesrate auf See geraten die Schlepper ins Visier der Politik. Somit gerät die Küstenwache in Bredouille, die den Druck nun auf Seyoum weitergibt.

Es soll die letzte Überfahrt des Jahres durchgeführt werden. Seine Helfer haben Flüchtige durch die Sahara gebracht, die nun über das Mittelmeer Richtung Italien geschleust werden sollen. Die Konkurrenz und die Küstenwache setzen Seyoum immer mehr unter Druck. Sein eigenes Empfinden betäubt er mit Gin und Khat. Dennoch begegnet ihm immer wieder seine eigene Geschichte. Seine Vergangenheit holt ihn ein, denn seine Jugendliebe, mit der der vor Jahren gemeinsame Pläne hatte, steht vor ihm.

Der Roman wurde von Katharina Triebner-Cabald übersetzt und wurde in Frankreich mehrfach ausgezeichnet. Stéphanie Coste ist im Senegal und in Djibouti aufgewachsen und lebt in Lissabon. Ihr Debütroman ist ein kurzweiliges Werk, das einen sehr bewegt und beschäftigt. Die Schleuser-Industrie mit ihren unmenschlichen Machenschaften bekommt ein reales und skrupelloses Gesicht. Neben den Schilderungen um die Macht- und Habgier um das Mittelmeer taucht der Roman auch in die Geschichte und Politik der Länder ein. Der Verlust der Menschlichkeit in der persönlichen Betrachtung des Hauptcharakters, den Schleuser-Netzwerken und der distanzierten Politik stehen im Mittelpunkt des Romans. Somit ist „Der Schleuser“ ein Werk, das die Emotion und den Verstand herausfordert. Ein lesenswerter und lohnenswerter Leseschatz.  

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