Lize Spit: „Der ehrliche Finder“

Ein berührender Roman über eine tiefe Freundschaft, die das Wesen unserer aktuellen Geschichte erfasst. Die Handlung spielt in den Neunzigerjahren und der ehrliche Finder ist Jimmy, ein Junge und ein kluger Außenseiter, der gerne sammelt. Er lebt in Bovenmeer in Flandern und fährt oft allein mit dem Fahrrad durch die Straßen auf der Suche nach Münzen. Sein Zuhause ist gerade sehr zerrüttet, denn sein Vater hat sie verlassen. Jimmy lebt und erlebt viel in seiner Fantasie. Er sammelt die Münzen nicht aus finanzieller Not, sondern er ist ein leidenschaftlicher Flippo-Sammler. Das sind Sammelbilder, vergleichbar mit den Knibbelbildern aus den Achtzigerjahren, die aus unterschiedlichen Bildreihen bestehen. Die Flipposammelbilder befinden sich in Chipstüten. Fast sein ganzes Geld gibt Jimmy für seine Sammelleidenschaft aus und führt darüber genauestens Buch. Im Lebensmittelgeschäft gibt es ein kleines Behältnis an der Kasse mit doppelten Motiven für sehr frustrierte Sammler, wenn sie ein Bild in der Tüte haben, das sie bereits besitzen und es somit tauschen dürften. Dies empfindet Jimmy als unehrenhaft und er sammelt ganz gewissenhaft. Als er eines Tages an einem Geldautomaten nicht entnommene Scheine findet, ist in seiner Vorstellungkraft für einen Moment alles perfekt. Er kann Unmengen von Chipstüten erwerben und seine Sammlung komplettieren. Doch dieser Traum zerplatzt sehr schnell, als die Bankkundin ihren Fehler bemerkt.

Jimmys Einsamkeit endet auf einen Schlag, denn Tristan kommt in seine Schule und wird neben ihn gesetzt. Tristan ist mit seinen Eltern aus dem Kosovo vor dem Krieg geflohen. Jimmy soll sich um Tristan kümmern und ihm bei den Sprachbarrieren behilflich sein. Klug und voller Hingabe unterstützen sich die beiden Jungs und werden unzertrennlich. Tristan erzählt wenig, doch lässt sich vieles erahnen. Jimmy erspürt die Gefahren, die die Familie auf der Flucht durch Europa erlebt haben muss, denn Tristans Gehör wurde einseitig stark beschädigt. Wenn Jimmy zu der Familie eingeladen wird, findet er das vor, was er daheim vermisst, eine große intakte Familie. Jimmy sammelt fortan auch für Tristan und erstellt ihm ein eigenes Sammelalbum. Für beide ist es eine Freundschaft, die durch die Sprache entstanden ist, aber dann keine Worte mehr benötigt, denn beide leben in einer Jungswelt, voller Geheimnisse und Gemeinsamkeiten. Doch wird ihre Welt bedroht, denn Tristans Familie soll abgeschoben werden. Die Bedrohung schwebt nun über allen Ereignissen. Schnell ist ein Plan entstanden, erdacht von Tristan und seiner Schwester. Jimmy muss helfen.

Dieser Roman erzählt ganz leicht und ohne zu moralisieren. Er erzeugt eine Nähe zu den Figuren, die man sofort mag. Mit wenig Handlung und Worten erschafft Lize Spit ein Bild von unserer  Mitmenschlichkeit und Freundschaft. Ein kleines Buch über die großen Themen der Zeit voller Empathie und Hingabe. Der Roman wurde inspiriert von der wahren Geschichte einer Familie, die 1998 aus dem Kosovo floh und in einer Dorfgemeinschaft herzlich aufgenommen wurde. Die Familie sollte ausgewiesen werden, doch wehrte sich die ganze Gemeinschaft gegen diesen Beschluss. Übersetzt wurde der Roman aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen. Der Roman könnte auch gut als Jugend-, und Schullektüre gelesen werden.

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